Europas Datenströme rauschen durch Kabel am Meeresgrund. Diese sensiblen Lebensadern sind durch Sabotage und Terror leichter zu treffen, als viele glauben. Aber das Bewusstsein für das Problem wächst, zeigt eine Doku.
Der Strombedarf in Deutschland und Europa steigt seit Jahren stetig an; größte Verbraucher sind Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. In allen Bereich verstärkt das Digital-Zeitalter den “Stromhunger”, und auch im privaten Leben scheint eine Welt ohne E-Mail, Web und KI unvorstellbar.
Doch diese “Normalität” hängt am seidenen Faden: Einen seltenen Blick in die Herzkammer der Stromverteilung bietet die Arte-Dokumentation “Droht der digitale Blackout? KI und Internet am Limit” am 8. November um 23.00 Uhr. Sie zeigt, dass Europas Stromnetz-Infrastruktur angreifbar ist – und dass der Datencenter-Boom die Kraftwerke an ihre Leistungsgrenzen treibt.
Für europäische Sicherheitsbehörden zählt die digitale Infrastruktur zu den Achillesfersen im Zeitalter hybrider Kriegsführung. Sabotageakte an Seekabeln zeigen die Verwundbarkeit der hiesigen Gesellschaft. Zu den Szenarien eines Internet-Infarkts zählt auch der Zusammenbruch von Lieferketten im Zusammenhang mit politischen Konflikten oder Krisen. Der neue, im Auftrag vom Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) für den Kulturkanal Arte produzierte Film von Dietmar Klumpp beleuchtet Herausforderungen einer digitalen Zukunft zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Geopolitik.
Der globale Datenverkehr hängt zu 95 Prozent von Unterseekabeln ab. Bisher sind diese Lebensadern der Kommunikation vielerorts aber auch noch ein leichtes Ziel für Terroristen und hybride Tiefseeattacken. Klumpp durfte dabei sein, als die französische Marine mit der “Orange Marine” auf dem Mittelmeer patrouillierte. Das mit Hightech-Ausrüstung und Unterwasser-Robotern ausgestattete Spezialschiff kontrolliert regelmäßig wichtige Kabelrouten am Meeresgrund, denn an ihnen hängt die Weltwirtschaft.
Konteradmiral Cédric Chetaille befehligt die Meeresboden-Kampfkräfte. “Wir reagieren klar auf diese Bedrohung, indem wir in der Lage sind, sie zu erkennen, ihr entgegenzuwirken und sie abzuwenden und dasselbe beim Gegner zu tun”, erläutert er seine Arbeit.
Ungewöhnlich waren für das Doku-Team auch Dreharbeiten im deutschen Internet-Netzknoten der “Telekom” in Frankfurt am Main. Dort haben die Filmemacher bestimmte Räume gesehen, die der Öffentlichkeit sonst nicht zugänglich sind. Technischer Leiter des deutschen Knotens ist Thomas Kling. Der Datentechniker bezeichnet im Film Seekabel als “das Nervensystem für die weltweite Inter-Connections-Zusammenschaltung”. Diese globalen Austausch von Kommunikationsnetzwerken sieht er kritisch: “Für die hohen Datenmengen, die wir heutzutage miteinander austauschen wollen, hat man sich sehr stark auf Seekabel fokussiert.”
Selten wird dieses Thema filmisch behandelt, obwohl doch alle auf funktionierende Leitungen angewiesen sind. Filmemacher Klumpp ist es gelungen, sonst verschlossene Türen für die Öffentlichkeit zu öffnen, was den Film besonders sehenswert macht. Er liefert außergewöhnliche Bilder aus Frankreich und Deutschland und veranschaulicht das Thema mit grafischen Animationen.
In seinen Filmen möchte Klumpp dem TV-Publikum “das Rüstzeug mitgeben, dass man sich selbst eine Meinung bildet”, sagt der preisgekrönte Berliner Filmemacher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Über Infrastruktur und Stromnetze hatte Klumpp für das ZDF vor drei Jahren bereits den Doku-Film “Unter Hochspannung – Wie sicher sind unsere Stromnetze?” produziert. Der Journalist setzt auf umfangreiche Vorbereitung und genaue Recherche – die sei für ihn stets “wie eine Seminararbeit.”