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ARD-Doku “Dirty Money” über das Geldwäsche-Paradies Deutschland

Der ARD-Dokumentarfilm “Dirty Money” zeigt, warum Deutschland als “Geldwäsche-Paradies” gilt. Der Film ist zwar unvollständig, aber dennoch spannend – obwohl er ganz auf spektakuläre Bilder verzichtet.

Wenn jemand eine Million Euro im Kofferraum hat und nicht erklären kann, woher die stammt – sollte der Staat das Geld einziehen dürfen, oder wäre das eine sehr “radikale Maßnahme”? Mit dieser Frage bringt die an der Universität Cambridge tätige Schweizer Kriminologin Zora Hauser den Inhalt des 90-minütigen Dokumentarfilms “Dirty Money – Geldwäsche-Paradies Deutschland” auf den Punkt.

Denn hierzulande ist es – anders als in vielen anderen europäischen Staaten – dem Staat gerade nicht möglich, solches Geld zu beschlagnahmen. Wegen der “kulturell” hohen Bedeutung von Bargeld, sagt Hauser. Dabei beträfe das Problem nicht viele Bürger. Eben daher gilt Deutschland der internationalen Organisierten Kriminalität als “Geldwäsche-Paradies”. Sie wisse, dass man für 200.000 Euro Schwarzgeld ein Restaurant kaufen könne, mit dessen angeblichem Umsatz sich dann kontinuierlich Geld waschen lasse. Oder man behaupte zur Not, teure Baumaschinen anschaffen zu wollen.

Der Film funktioniert auf recht unaufgeregte Weise gut – obwohl es aus guten Gründen des Persönlichkeitsrechts-Schutzes praktisch nichts zu sehen gibt. Gezeigt werden oft Hausfassaden, Bilder von Restaurants oder Hotels (zu denen am Schluss der schriftliche Hinweis erfolgt, dass “keiner der beispielhaft gewählten Drehorte” in einem Geldwäsche-Zusammenhang stehe), ein paar nichtige nachgestellte Szenen etwa mit Gepäckstücken voller Geld, ein paar zur Unkenntlichkeit geblurrte Razzia-Videos und viele Aufnahmen von Autobahnen und anderen Straßen.

Die Organisierte Kriminalität schätzt so etwas als funktionierende Infrastruktur, auch wenn sie zu deren Finanzierung nur wenig beiträgt (also ein bisschen schon: Geld zu versteuern, gehört schließlich zum Einspeisen in den Kreislauf). Kurzum: Die Bild-Ebene ist nichts als untermalende Atmo. Was der Film berichtet, basiert allein auf Worten. Neben fundiert-eloquenten Experten wie Hauser, dem Betreiber des Youtube-Kanals “Finanzfluss”, Thomas Kehl, und der Geldwäsche-Beautragten einer (ungenannten) deutschen Bank kommen viele Beamtinnen und Beamten von BKA, Zollkriminalamt und Steuerfahndung zu Wort.

Nachvollziehbar schildern sie die Phasen der Geldwäsche bis zur Integration nicht mehr rückverfolgbarer hoher Summen in den normalen Geldkreislauf. Zum Einspeisen würden gerne Spielautomaten-Casinos und andere “bargeldintensive Branchen” wie die Gastronomie genutzt. Hierzulande benötigen Ermittler einen “doppelten Anfangsverdacht”, um überhaupt tätig werden zu können – eben weil mit viel Geld zu reisen nicht strafbar ist, sondern eine mutmaßliche “Vortat” im Raum stehen muss.

Das BKA würde sich hier eine “Beweislastumkehr” wünschen, bei der nachgewiesen werden müsste, dass es sich nicht um Schwarzgeld handelt. Seine Beamten schildern gerne, wie es ihnen durch geduldige Telefon-Überwachung und Kooperation mit niederländischen Kollegen, denen mehr Befugnisse zur Verfügung stehen, gelungen ist, Geldwäscher so vor Gericht zu bringen. Das Landgericht Essen verurteilte sie auch prompt zu mehrjährigen Haftstrafen. Und auch eine Steuerfahnderin freut sich spürbar, von der erfolgreichen Jagd nach “Geld, das die Kriminellen uns Steuerbürgern geklaut haben”, berichten zu können.

Einige Wünsche lässt der Film dabei freilich offen. Im letzten Drittel lobt der nordrhein-westfälische Finanzminister Marcus Optdendrenk (CDU) das neue Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität, das in Düsseldorf eingerichtet wurde. Wer bis dahin zusah, kann nachvollziehen, dass solche Bündelung von Kompetenzen bei der Bekämpfung von Geldwäsche hilft. Doch ein Erklärungsansatz dafür, warum Deutschland im europäischen Vergleich lange dermaßen hinterherhinkte, fehlt.

Stellt der traditionsreiche deutsche Föderalismus ein Problem dar, und tut es der Föderalismus der EU weiterhin, wie zumindest eine Bemerkung Zora Hausers zum EU-Mitglied Malta nahelegt? Denn der Inselstaat ist neben dem Verkauf von EU-Staatsbürgerschaften auch in Sachen anderer grauer Geldflüsse eher lax unterwegs.

Andererseits:Dass ab 2027 für Bargeld-Geschäfte ab 10.000 Euro auch hierzulande neue Regeln gelten, folgt einer EU-Regel. Dazu würde man gerne mehr erfahren, wie auch zur Frage, ob digitale Geldströme tatsächlich immer besser nachverfolgt werden können. Auch die Stimme eines Bargeld-Fans, der diese “kulturelle” deutsche Vorliebe mit einer Kritik an der Digitalisierung des Geldflusses verbinden würde, hätte der Überzeugungskraft des Films kaum geschadet.

Dennoch lohnt er, weil er beiläufig viele Berührungspunkte zwischen dem ganz unspektakulären Alltag und der oft unglaublich gewalttätigen Geldwäsche aufzeigt – und klar macht, dass an Geld oft Blut klebt, das man ihm nicht ansieht.