Antisemitismusforschung: Jüdische Perspektive wird oft „bagatellisiert“

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert, die jüdische Perspektive bei der Sensibilisierung für Antisemitismus in der Forschung stärker einzubeziehen.

In immer mehr deutschen Städten finden Solidaritätsaktionen für jüdische Mitbürger statt
In immer mehr deutschen Städten finden Solidaritätsaktionen für jüdische Mitbürger stattImago / epd

„Die jüdische Perspektive beim Thema Antisemitismus wurde viel zu lange vernachlässigt und wird immer noch zu oft bagatellisiert“. Das sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in Berlin bei einer Tagung des Bundesbildungsministeriums zum Thema „Der wissenschaftliche Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus“.

Das zeige sich oft in der Verschiebung öffentlicher Debatten, wenn darüber diskutiert werde, ob etwas überhaupt Antisemitismus sei, anstatt die antisemitischen Aussagen oder Handlungen selbst zu thematisieren, sagte Schuster. „Plötzlich sind nicht die Gefährdungen, sondern jene, die sie aufzeigen, diejenigen, die allgemeine Unruhe provozieren.“

Antisemitismuskompetenz stärkt Wertehaltung

Schuster bestärkte die gemeinsame Empfehlung des Zentralrats sowie der Bund-Länder-Kommission der Antisemitismusbeauftragten und der Kulturministerkonferenz der Länder aus dem Jahr 2021 zum Umgang mit Antisemitismus in der Schule. Demnach soll im Umgang mit Antisemitismus und der Reaktion darauf die jüdische Perspektive stärker berücksichtigt werden.

Schuster forderte zudem die Verlängerung der Förderzeit für Verbundprojekte zur Erforschung von Antisemitismus durch das Bundesbildungsministerium sowie eine Evaluation der Erkenntnisse. „Wer Antisemitismuskompetenz fördert, fördert die nachhaltige Verankerung einer Wertehaltung, die dazu befähigt, menschenfeindlichen, radikalen Positionen und Verhaltensweisen entschlossen entgegenzuwirken“, so Schuster.

Forschungen zum zeitgenössischen Antisemitismus

Das Bundesbildungsministerium fördert von 2021 bis 2025 nach eigenen Angaben zehn Verbünde zur Erforschung des zeitgenössischen Antisemitismus mit insgesamt zwölf Millionen Euro. Anlass der Tagung in Berlin, bei der eine erste Zwischenbilanz gezogen wurde, war der jährliche „Tag des Grundgesetzes“ am 23. Mai.