Antisemitismus: Neue Ausstellung zeigt Folgen für die Gesellschaft

Zum Start der Wanderausstellung „Antisemitismus in Bayern – Judenhass heute“ in Nürnberg, hat der erste Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, Jo-Achim Hamburger, beklagt, dass Juden aus dem öffentlichen Leben verschwinden und unsichtbar würden, „weil sie Angst haben“. Bei der Eröffnung im Neuen Rathaus sagte er am Montagabend, nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel würden die brutalen Taten relativiert oder geleugnet.

Die Wanderausstellung hat RIAS Bayern (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus) konzipiert und realisiert. Sie thematisiert zwölf Aspekte, wie „Gerücht über Juden“, „Gegen jüdische Selbstbestimmung“ oder „Nicht bei uns“. Dabei geht es um unterschiedliche Erscheinungsformen von Antisemitismus, das Ausmaß im Freistaat, Auswirkungen auf Betroffene oder auch das richtige Verhalten, wenn man antisemitische Vorfälle beobachtet.

Auf Basis von über 2.000 antisemitischen Vorfällen, die RIAS Bayern zwischen 2019 und 2023 dokumentierte, kommen auch Betroffene mit ihren Erfahrungen zu Wort. In kleinen kompakten Texten wird der Zusammenhang des modernen Antisemitismus als Teil einer Verschwörungserzählung hergestellt oder zum religiösen Judenhass seit der Frühzeit des Christentums. Mit dem Smartphone lassen sich ergänzende Videos und Statements aufrufen.

„Die Ausstellung ist ein Anfang und kann im Laufe der Zeit erweitert werden“, sagt Annette Seidel-Arpacı, Leiterin von RIAS Bayern. Sie hoffe, mit der niederschwelligen Ausstellung „eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Judenhass in jede ideologische Richtung“ anzustoßen. RIAS Bayern sei nicht nur Anlaufstelle für Betroffene und Dokumentationsstelle. „Sie ist auch eine Informationsstelle zum Antisemitismus hier und heute.“

Der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle (CSU), zeigte sich erneut betroffen. Er habe sich gerade selbst ein Bild von der Gewalt gegen Israelis vor Ort gemacht. „Israel ist keine blutbesoffene Diktatur“, sagte Spaenle. Man dürfe Israel kritisieren, aber die Kritik werde in Deutschland nicht differenziert, sondern auf ein plakatives „Israel ist das Böse“ verkürzt. Der frühere bayerische Kultusminister positionierte sich deutlich gegen Antisemitismus in Bayern. „Wir müssen uns an die Seite jüdischer Menschen in diesem Land stellen.“

Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) sagte, es sei „beschämend, diese Ausstellung im Jahr 2024 in unserer Stadt zeigen zu müssen“. Seit Corona und mehr noch seit dem 7. Oktober seien die Parameter für die Grenzen des Sagbaren verschoben. „Antisemitismus wird heute viel ungehemmter gezeigt.“ Erschreckend sei für ihn, dass sich die Feindseligkeiten quer durch alle Milieus und Gesellschaftsschichten ziehe. Aktuell würden in der Stadt 28 antisemitische Strafverfahren verfolgt. Der Stadtrat ein Konzept gegen Antisemitismus beauftragt. „Wir wollen gegen das Desinteresse sensibilisieren und jüdisches Leben als Teil unseres Lebens sichtbar machen“, sagte König. (00/1939/25.06.2024)