Antisemitismus-Beauftragter Staffa fordert klare Worte auf EKD-Synode
Der Krieg in Nahost ist längst in Deutschland angekommen. Der Antisemitismus-Beauftragte der EKD, Christian Staffa, spricht im Interview über die aufgeheizte Stimmung und was Kirche tun kann.
Wie nehmen Sie die Stimmung im Land aktuell wahr?
Christian Staffa: Ich sehe eine starke Polarisierung, tatsächlich auch bei der linken oder liberalen Seite erstaunliche Empathielosigkeit. Diese enorm abgründige Gewalt an sich ranzulassen und das Bild eines legitimen Widerstandes „der“ Palästinenser hier aufzugeben, scheint vielen auch rassismuskritischen und feministischen Kreisen ein unmöglicher Schritt, der aber nötig wäre. Sie sind keine Befreiungsbewegung, sondern Vernichtungssoldaten, die sich auch noch auf Social Media damit brüsten, das Morden, das Vergewaltigen dort zu dokumentieren.
Aber es gibt auch das Gegenteil. Revisionen von Positionen und starke kirchliche Worte auch von Brot für die Welt, von denen solches bisher nicht zu hören war. Die Ökumenische Bewegung ist leider wie so oft ohne diese Nachdenklichkeit. Es gibt dann aber auch auf Israel-Solidaritätsdemos eine pauschale Verurteilung von Muslimen, die sich in recht aggressiven Tönen „abschieben“ zeigt. Das spielt der AfD in die Hände.
Die Jüdische Community ist stark verunsichert und fühlt sich bedroht. Sie braucht die Solidarität der Kirchen und Gemeinden sowie der Gesellschaft allgemein. Denn auch der sichere Hafen Israel ist das auf lange Zeit einfach nicht mehr und gerade ist die Existenz Israels in einer Weise bedroht wie wir es in den letzten 50 Jahren nicht mehr hatten und mit einer Gewaltform konfrontiert, die traumatisierend an die NS-Zeit erinnert.
Wie hoffnungsvoll sind Sie, dass sich die Stimmung ändern wird?
Leider nicht so sehr hoffnungsfroh, weil die Bilder aus dem Gaza die Polarisierung weiter vorantreiben werden und auch manche, die heute noch an der Seite Israels stehen, abschrecken werden. Es ist ja auch schwer auszuhalten. Die Tatsache, dass die Hamas das genau so wollte und das eigene Volk ans Messer liefert, macht den Eindruck von getöteten Bombenopfern nicht weniger erschreckend. Aber dieser Schreck als politische Positionierung braucht eine Antwort darauf, wie der Vernichtungswille der Hamas gebrochen werden kann und was ein Land tun soll, das mit einem und nicht nur einem Nachbarn lebt, der auf seine Vernichtung zielt.
Im November tagt die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Erwarten Sie hier klare Positionen zum Krieg in Nahost, zum Antisemitismus und vielleicht auch zum israelfeindlichen Post von Fridays for Future International?
Ja, ich erwarte sehr klare Worte, die auch vorbereitet sind. Fridays for Future Deutschland hat sich ja distanziert von diesem unsäglichen Post. Deshalb glaube ich nicht, dass es da zu einer Distanzierung der EKD kommt. Aber EKD und Fridays for Future müssen sich auch in die internationale Debatte einbringen. Also Fridays for Future in Diskussionen um Fridays for Future international und die Kirche in die des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK). Es reichte noch nie und reicht nun gar nicht mehr, das Thema israelbezogene und theologische Judenfeindschaft als deutsches Sonderproblem zu behandeln.
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Tut Kirche genug in Bezug auf Antisemitismus?
Das ist ein weites Feld, denn hier gilt „genug ist nie genug“. Wir arbeiten gerade an evangelischen Religionsschulbüchern, die nun sicher nicht antisemitisch sind, aber wo doch immer wieder klassische Antijudaismen vorkommen, die Judas-Geschichte nicht kritisch vorkommt, das Judentum und Israel eher karikierend oder gar falsch dargestellt ist.
Die Israel-Perspektive könnte sicher selbstkritischer adressiert werden, die Palästina-Solidarität ist eher ausgeprägt. Zur Versöhnung beitragen könnte die Kirche mit mehr Streitbarkeit auch in der Ökumene. Das klingt widersprüchlich, aber solange die klaren Differenzen auch in der Theologie nicht bearbeitbar werden, gibt es auch keine Versöhnung. Für den Nahost-Konflikt wäre Sicherheit schon ein angemessenes Ziel.