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Antisemitische Vorfälle in Bayern seit Oktober massiv gestiegen

Hoher Anstieg antisemitischer Vorfälle in Bayern: Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern hat vom 7. Oktober bis 9. November 148 Fälle dokumentiert. Dies entspreche einem Zuwachs von 285 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie RIAS am Dienstag in München mitteilte. 91 Prozent der Vorfälle stünden in direktem Bezug zum Massaker der Hamas und der daraus folgenden militärischen Reaktion Israels in Gaza.

Ferner sind laut Rias 79 Prozent dem israelbezogenen Antisemitismus zuzuordnen, 30 Prozent der Vorfälle bedienten Motive der Abwehr der Erinnerung an die Schoah. In 18 Prozent der Fälle hätten beide Formen von Antisemitismus vorgelegen, heißt es. Auf 24 Versammlungen sei antisemitischer Terror gebilligt, Israel dämonisiert und delegitimiert oder anderweitig antisemitische Inhalte verbreitet worden. In München hätten israelfeindliche Gegendemonstranten am Rande einer Kundgebung auf Arabisch die Parole “Juden, (…), die Armee Mohammeds kommt wieder!” gerufen – eine antisemitische Morddrohung. 20 Prozent der Vorfälle, die man zuordnen habe können, hätten einen islamischen oder islamistischen politischen Hintergrund gehabt.

RIAS Bayern dokumentierte eigenen Angaben zufolge zwei Angriffe, elf Bedrohungen und neun gezielte Sachbeschädigungen. 39 Prozent der Vorfälle ereigneten sich alleine im Internet. 124 Vorfälle seien als “verletzendes Verhalten” kategorisiert worden; darunter fielen 27 Versammlungen, wobei RIAS von einer großen Dunkelziffer ausgehe.

RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpaci sprach angesichts der Zahlen von einer “ungekannten Explosion von Antisemitismus”. Viele Jüdinnen und Juden fühlten sich in ihrer Heimat nicht mehr sicher. Hinzu kämen Kälte, Empathielosigkeit und mitunter Entsolidiarisierung bisher Verbündeter: “Die Betroffenen von Antisemitismus werden regelrecht verhöhnt”, so Seidel-Arpaci. Seit dem 7. Oktober sei das alltägliche Dauerrauschen des Antisemitismus zu einem lauten Grollen geworden.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte zur Erhebung: “Die Gesamtgesellschaft muss jetzt ganz klar Haltung zeigen. Zu lange haben wir zugelassen, dass Antisemitismus über rechtsextreme Kreise, über eine linksradikale Dämonisierung Israels oder islamistische Fanatiker bis in die Mitte unserer Gesellschaft vordringt.” Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, ergänzte: “Was wir jetzt brauchen, sind das Mitgefühl und die Solidarität der Gesellschaft und das entschlossene Handeln von Politik, Sicherheitskräften und Justiz.”