Annette Schavan: Theologen weiterhin gebraucht

Womit befasst sich Theologie? Und wozu werden Theologinnen künftig noch gebraucht? Ein Sonderheft der Zeitschrift “Herder Korrespondenz” sucht nach Antworten.

Die frühere Bundesbildungsministerin und Vatikanbotschafterin Annette Schavan sieht einen wachsenden Bedarf an theologischem Fachwissen – gerade auch jenseits von kirchlichen Berufen. Weltweit bezeichneten sich 80 Prozent aller Menschen als religiös, schreibt Schavan in einem Essay für das Theologie-Sonderheft der Zeitschrift “Herder Korrespondenz”. Religiöse Haltungen und Deutungen seien “relevant für die Konflikte wie für den Zusammenhalt”, so Schavan. “Wer davon zu wenig weiß, tut sich schwer, diese Welt zu verstehen. Deshalb sind Theologinnen und Theologen wichtig für die Diplomatie und die internationale Politik”.

Das am Montag erschienene Sonderheft “Theologie – warum das Fach Zukunft hat” bringt Theologinnen und Theologen des deutschen Sprachraums für eine Standortbestimmung der christlichen Theologie zusammen. Ausblicke gibt es auch auf jüdische und islamische Theologie. Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Theologie-Disziplinen beschreiben, was und wie Theologie zu gesellschaftspolitischen, ethischen und religiösen Debatten der Gegenwart und Zukunft beitragen kann. Im Hintergrund steht die Beobachtung, dass die Zahl von Theologie-Studierenden an den deutschen Universitäten seit Jahren sinkt.

Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, spricht sich für die Stärkung einer “öffentlichen Theologie” aus. Dabei gehe es nicht um die Politisierung von Theologie, sondern darum, theologisch reflektierte Überlegungen bei ethischen oder sozialen Grundsatzfragen einzubringen.

Die Bochumer Theologin Katharina Klöcker sieht die Theologie derzeit in einer Phase der Selbstaufklärung. Es gelte auch, weiterhin die Erschütterung der Skandale um sexualisierte Gewalt und Vertuschung im Raum der Kirche aufzuarbeiten. So sei es wichtig, insbesondere das Leid von Menschen stärker als Ausgangspunkt von theologischen Überlegungen zu machen. “Hier könne unter bestimmten Umständen die Religion eine aktive Rolle in zivilgesellschaftlichen Prozessen spielen”, betont Klöcker. Sie verweist auf den Theologen Johann Baptist Metz, der Empathie oder Mitleidenschaft (“Compassion”) als einem Schlüsselbegriff des Christentums beschrieben habe.