Anne Applebaum erhält am Sonntag Friedenspreis des Buchhandels

Sie zählt zu den profiliertesten Kritikerinnen autoritärer Herrschaft und russischer Expansionspolitik. Jetzt wird die Historikerin Anne Applebaum in der Paulskirche mit dem Friedenspreis des Buchhandels ausgezeichnet.

Die US-amerikanische Journalistin und Historikerin Anne Applebaum (60) wird am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche mit dem renommierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Applebaum habe “mit ihren so tiefgründigen wie horizontweitenden Analysen der kommunistischen und postkommunistischen Systeme der Sowjetunion und Russlands die Mechanismen autoritärer Machtergreifung und -sicherung offengelegt”, hatte Börsenvereins-Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs die Entscheidung der Jury begründet. Mit ihren Forschungen zur Wechselwirkung von Ökonomie und Demokratie sowie zu den Auswirkungen von Desinformation und Propaganda auf demokratische Gesellschaften zeige sie auf, wie zerbrechlich diese sind – besonders wenn Demokratien von innen, durch Wahlerfolge von Autokraten, ausgehöhlt werden. “In einer Zeit, in der die demokratischen Errungenschaften und Werte zunehmend karikiert und attackiert werden, wird ihr Werk zu einem eminent wichtigen Beitrag für die Bewahrung von Demokratie und Frieden.”

Applebaum gilt als große Expertin der osteuropäischen Geschichte und hatte schon früh vor einer möglichen gewaltvollen Expansionspolitik Wladimir Putins gewarnt. Für ihre Bücher wie “Der Gulag” (2003), “Der Eiserne Vorhang” (2012), “Roter Hunger” (2019) und die “Die Verlockung des Autoritären” (2021), in denen sie den Mechanismen autoritärer Machtsicherung nachspürt, erhielt sie international große Aufmerksamkeit und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pulitzer-Preis 2004 und zuletzt mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis 2024.

Geboren am 25. Juli 1964 in Washington als Kind jüdischer Eltern, studierte Applebaum zunächst an der Yale University Russische Geschichte und Literatur, bevor sie in London und Oxford ihren Schwerpunkt auf Internationale Beziehungen setzte. 1988 begann sie ihre journalistische Karriere als Auslandskorrespondentin in Polen für die britische Zeitschrift “The Economist”, für die sie vor Ort auch über den Fall der Berliner Mauer berichtete. Anschließend arbeitete sie für weitere britische Zeitungen wie den “Spectator”, “Evening Standard”, “Daily Telegraph” und “Sunday Telegraph”. 2002 wurde sie für vier Jahre Mitglied im Herausgebergremium der “Washington Post”, für die sie bis 2019 als Kolumnistin tätig war. Seitdem schreibt sie vornehmlich für die US-amerikanische Zeitschrift “The Atlantic”.

Applebaum, die mit Unterbrechungen seit 30 Jahren in Polen lebt, besitzt seit 2013 neben der US-amerikanischen auch die polnische Staatsbürgerschaft. Seit 1992 ist sie mit dem polnischen Politiker Radoslaw Sikorski verheiratet, der von 2007 bis 2014 Außenminister war und dieses Amt 2023 wieder übernommen hat. Das Paar hat zwei Söhne.

Der Friedenspreis wird jeweils zum Ende der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche verliehen. Er ist mit 25.000 Euro dotiert und wird seit 1950 vergeben. Geehrt werden Persönlichkeiten, die in Literatur, Wissenschaft oder Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben. Im vergangenen Jahr war der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie ausgezeichnet worden.