Angst vor Abschiebung: Iran will Afghanen zurückschicken
Hunderttausenden Afghanen und Afghaninnen droht die Abschiebung aus dem Iran zurück in ihr Heimatland. Die Regierung in Teheran will damit auch bei ihrer eigenen Bevölkerung punkten.
Mohamed Naim Kasemi wagt sich kaum noch aus dem Haus. Nur die nötigsten Gänge zum Einkaufen oder zur Arbeit bringen ihn auf die Straße. Kasemi kam vor drei Jahren aus Afghanistan in den Iran – und muss nun eine Abschiebung fürchten.
Nachdem Pakistan im vergangenen Jahr die Massenabschiebung von Millionen Afghaninnen und Afghanen in ihr Heimatland am Hindukusch eingeleitet hat, zieht auch der Iran nach. Bis zum Ende des persischen Kalenderjahres im März 2024 will die Regierung in Teheran bis zu zwei Millionen Geflüchtete nach Afghanistan zurückführen. Mehrmals sei er bereits von der Polizei festgenommen worden und habe sich nur durch Kontakte und Bestechungsgelder freikaufen können, sagt Kasemi. „Wir haben jedes Mal die gleiche Angst, von der Polizei entdeckt und in ein Abschiebegefängnis gebracht zu werden.“
Iran hat größte afghanische Diasporagemeinde
Mit fast vier Millionen Menschen beherbergt der Iran nach Angaben der Vereinten Nationen eine der weltweit größten afghanischen Diasporagemeinden. Iranische Behörden sprachen zuletzt sogar von bis zu acht Millionen Afghanen, die sich im Land aufhalten. Viele von ihnen flohen während eines der zahlreichen Kriege oder aus wirtschaftlichen Gründen in den letzten Jahrzehnten in das Nachbarland. Aufgrund der gemeinsamen Sprache waren Afghanen im iranischen Niedriglohnsektor wie dem Bauwesen oder der Landwirtschaft bisher gern gesehene billige Arbeitskräfte. Vielen fehlen jedoch bis heute offizielle Papiere.
Mohammad Kasemi kam mit seinen sechs Kindern aus Masar-e Scharif im Norden Afghanistans in die iranische Hauptstadt Teheran, als nach der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 die afghanische Wirtschaft zusammenbrach. Der 47-Jährige arbeitet seitdem mit seiner Frau in einer iranischen Kristallverpackungsfabrik. „Wir hatten keine andere Wahl, als hierherzukommen“, sagt er. „In Afghanistan gab es keine Arbeit für mich.“
Iran hat innerpolitische Probleme mit Afghanen
Nach Ankündigung von Ahmad Resa Rada, Kommandeur der iranischen Strafverfolgungsbehörden, soll damit allerdings nun Schluss sein. Vor einigen Wochen kündigte er die millionenfachen Ausweisungen an und erklärte die Beschäftigung von illegal eingereisten Ausländern in iranischen Unternehmen als gesetzeswidrig.
Damit will die Regierung in Teheran wohl auch bei der eigenen Bevölkerung punkten. Denn die hohe Zahl der Afghanen im Land wird mit für die steigende Arbeitslosigkeit im Iran verantwortlich gemacht. Die Stimmung gegenüber der afghanischen Gemeinde hat sich seit der Machtübernahme der Taliban deutlich verschlechtert. Millionen Menschen aus Afghanistan waren damals ins Nachbarland geflohen, während gleichzeitig auch im Iran die wirtschaftliche Lage einbrach.
Daneben haben aber auch mehrere Terroranschläge des afghanischen Ablegers des Islamischen Staates (ISIS-K) im Iran die Ressentiments gegenüber Afghanen verstärkt. Im Internet kursieren Petitionen, die die Abschiebung afghanischer Flüchtlinge fordern, sowie zahlreiche Hasskommentare gegen sie. In den vergangenen Monaten kam es in iranischen Städten immer wieder zu Massenprotesten und willkürlichen Angriffen auf afghanische Migranten.
Iranisches Parlament plant Migrationsobergrenzen und Mauerbau
Das iranische Parlament diskutiert derweil über ein neues Ausländergesetz, das Migrationsobergrenzen in iranischen Städten und Provinzen vorsieht. Der Anteil soll dort künftig nicht mehr als drei Prozent der Bevölkerung ausmachen. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, könnten weitere Abschiebungen folgen. Nach Angaben der UN zwang der Iran schon im vergangenen Jahr knapp 600.000 Afghanen zur Ausreise.
Die iranischen Streitkräfte kündigten kürzlich zudem an, eine mehr als 70 Kilometer lange Mauer an der Grenze zu Afghanistan errichten zu wollen. Ob so die Zahl illegaler Grenzübertritte angesichts der fast tausend Kilometer langen Grenze tatsächlich deutlich reduziert werden kann, bleibt jedoch fraglich.