Altbundespräsident Wulff besorgt um Zustand der Demokratie

Das Grundgesetz wird am Donnerstag 75 Jahre alt. Ein Grund zum Feiern, findet der frühere Bundespräsident Christian Wulff. Aber auch ein Grund zu Sorge, wenn man aktuelle Umfragen betrachtet.

Altbundespräsident Christian Wulff macht sich Sorgen über die Demokratie
Altbundespräsident Christian Wulff macht sich Sorgen über die DemokratieImago / Maximilian Koch

Altbundespräsident Christian Wulff (64) findet es besorgniserregend, dass viele Menschen in Deutschland nicht mehr uneingeschränkt zur Demokratie stehen. Im Interview des Bonner General-Anzeigers sagte er, ihn beunruhige, dass 31 Prozent der Menschen in Deutschland – “28 Prozent im Westen und 45 Prozent im Osten” – sagten, man lebe nur noch in einer Scheindemokratie: “Sie glauben, dass es auf sie nicht ankäme. Daran müssen wir dringend etwas ändern.”

Wulff erinnerte an die deutsche Widerstandskämpferin Freya von Moltke. Diese habe gesagt, der erste gelungene Demokratieversuch, die Weimarer Republik, sei gescheitert, weil die Deutschen das Gefühl verloren hätten, für ihre Gesellschaft selbst verantwortlich zu sein: “Wir alle sind verantwortlich und müssen uns einbringen. In der Bonner Republik hatten wir 60 Millionen Einwohner und über drei Millionen Mitglieder in demokratischen Parteien. Wir sind heute 84 Millionen Deutsche und diese Parteien haben noch gut eine Million Mitglieder.”

Wulff: Mehr Engagement für die Demokratie

Auf Dauer, so der Politiker weiter, gehe es nicht gut, wenn sich immer weniger Menschen für die Demokratie engagierten. Am besten könnten Eltern ihren Kindern demokratische Werte vermitteln: “In Elternhäusern wird eher gesagt: Sieh zu, dass Du gute Noten hast und eine gute Ausbildung machst, geh auch mal ins Ausland. Vielleicht sollte man in der Familie auch raten: Stelle ein wenig Zeit für unsere Demokratie zur Verfügung, geh zumindest wählen oder lass Dich wählen, geh in eine Partei und kümmere Dich, interessiere Dich, lese die Tageszeitung oder deren Online-Ausgabe, um Dein Umfeld zu kennen.”

Um zu verhindern, dass wieder eine deutsche Generation erst mit Krieg, Nationalismus, Überheblichkeit und Totalitarismus Erfahrung machen müsse, um klug zu werden, müsse man sich “noch mehr anstrengen, um vor Rechtsextremisten, vor der AfD und vor Menschen, die wieder völkisches Gedankengut in unser Land treiben, zu warnen. Wir haben hier eine gigantische Aufgabe.”

“Demokratie klingelt nicht, wenn sie geht”

Die Gesellschaft dürfe Institutionen nicht erst schätzen, wenn diese in Not seien, fügte der Altbundespräsident hinzu: “Die Demokratie klingelt nicht, wenn sie geht. Sie ist auf einmal weg. Dass die Demokratie verteidigt werden muss, dass sie gefährdet ist von außen, von China, Russland und anderen Autokraten oder auch von innen durch Extremisten – das haben wir jahrzehntelang nicht vor Augen gehabt.”