Als Syrer erfolgreich in Deutschland

Safwan Nassaj lächelt gern. Der Arzt aus Syrien wanderte 2010 nach Deutschland aus und hat hier seine neue Heimat gefunden. „Das Wetter ist nicht so toll“, räumt er ein, aber er schätze die offene demokratische Kultur. Es gebe hier nicht den Druck durch die Regierung oder eine Religion auf den Einzelnen. „In Deutschland kann man sein Leben so führen, wie man möchte“, lobt Nassaj. Der 41-Jährige praktiziert inzwischen als Augenarzt in Mörfelden und Frankfurt am Main und hat eine Deutsche geheiratet. Aber der Weg dorthin war nicht einfach.

Bald nach seiner Ankunft in Deutschland 2010 konnte Nassaj in Lübeck als „Gastarzt“ arbeiten, erhielt aber kein Gehalt. Denn die Anerkennung seiner syrischen Arztzulassung durch die deutschen Behörden zog sich zweieinhalb Jahre hin. Zunächst musste er vom Geld der Eltern leben, später erhielt er ein Stipendium. Im Herbst 2012 schließlich erhielt er seine Approbation und konnte als Assistenzarzt im hessischen Dillenburg die Arbeit aufnehmen. Seit 2018 praktiziert er als Facharzt für Augenheilkunde in Frankfurt und Mörfelden.

„Das Einleben fiel mir nicht leicht, weil ich in den ersten zwei Jahren kaum Unterstützung erhalten habe“, sagt Nassaj. Die langwierige Prozedur der Anerkennung ausländischer Papiere sei auch heute noch eine große Hürde für Mediziner aus dem Ausland. Die Wartezeit bis zur Anerkennung der Approbation könne ein bis drei Jahre dauern. Die Praxis in den Bundesländern sei sehr unterschiedlich, und die Behördenmitarbeiter hätten nicht den gleichen Wissensstand, bemängelt der Arzt. Nachgeforderte Dokumente seien aus Ländern wie Syrien schwierig zu erhalten.

Zu dem Zwang, sich während der Wartezeit finanziell über Wasser halten zu müssen, komme eine weitere Hürde. Zur Beantragung eines Visums fordern die Behörden von einer syrischen Fachkraft, rund 12.500 Euro auf ein Sperrkonto in Deutschland zur Finanzierung der Lebenshaltungskosten für ein Jahr einzahlen, wie der Arzt erklärt. Ein Mediziner verdiene in Syrien aber umgerechnet nur 20 bis 30 Euro im Monat. Der von Deutschland geforderte Vorschuss lasse sich nur durch den Verkauf von Immobilien oder Autos aufbringen. Dazu komme das Problem, dass ein Syrer wegen der Wirtschaftssanktionen gegen das Regime kein Konto in Deutschland eröffnen könne. Das Geld müsse über Umwege durch Organisationen oder Privatleute nach Deutschland überwiesen werden.

Nassaj ist Mitglied des im vergangenen Jahr gegründeten Berufsverbands „Syrische Ärzte und Apotheker in Deutschland“. Dieser versuche, die Bedingungen der Anerkennung zu verbessern. 5.639 syrische Ärztinnen und Ärzte habe es Ende vergangenen Jahres in Deutschland gegeben, sagt das Vorstandsmitglied Samer Matar mit Berufung auf die Bundesärztekammer. Damit stamme die größte ausländische Ärzteschaft in Deutschland inzwischen aus Syrien. Nassaj hat sich ein Jahr vor Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien bewusst für die Zukunft in Deutschland entschieden.

„Ich hatte schon als Jugendlicher eine positive Vorstellung von Deutschland“, erzählt er. Er habe die Bundesliga verfolgt und sei Fan von Bayern München gewesen. Als Medizinstudent habe er die technischen und pharmazeutischen Produkte aus Deutschland für die besten gehalten, außerdem sei die Entwicklung der Medizin auf höchstem Niveau.

Nassaj, der die ersten 15 Lebensjahre mit seiner Familie in Saudi-Arabien verbracht hat, hat eine evangelische Deutsche geheiratet. Die verschiedenen religiösen Traditionen stören ihn überhaupt nicht: „Die Familie meiner Frau hat mich mit offenen Armen aufgenommen.“ Er schätze in Deutschland die persönliche Freiheit und sei schon vor Jahren zum Agnostiker geworden. Sein Bruder ist ihm 2014 gefolgt, er arbeitet als Facharzt für innere Medizin in Dortmund und ist auch mit einer Deutschen verheiratet.

Die interkulturellen Erfahrungen und Mehrsprachigkeit lehrten Toleranz und Geduld, betont Nassaj: „Es macht einen offener gegenüber fremden Kulturen.“ Englisch gebrauche er bei der Arbeit regelmäßig, Arabisch mindestens einmal die Woche. Das schaffe einen einfacheren Zugang zu den Patienten und gebe ihm das Gefühl: „Ich habe für Landsleute etwas Gutes getan.“