Als der „Feuersturm“ über Hamburg tobte

Hamburg gedenkt der Opfer der „Operation Gomorrha“ vor 75 Jahren. In einer zentralen Gedenkfeier erinnern Bischöfin Kirsten Fehrs und Erzbischof Stefan Heße an die 35.000 Opfer.

Feuersturm-Denkmal in Hamburg-Dammtor
Feuersturm-Denkmal in Hamburg-DammtorStaro 1 / Wikimedia Commons

Von Thomas Morell und Thorge Rühmann
Hamburg. Einen Luftangriff wie auf Hamburg vor 75 Jahren hatte es im Deutschen Reich bislang noch nicht gegeben. Vom 24. Juli bis 3. August 1943 gingen bei der "Operation Gomorrha" mehr als 100.000 Sprengbomben nieder. Innerhalb von zehn Tagen starben rund 35.000 Menschen. Mit einer zentralen Gedenkveranstaltung im Hamburger Michel wird am 22. Juli an die Opfer der "Operation Gomorrha" vor 75 Jahren erinnert.
Bei dem Angriff, den die Briten in Anlehnung an die Bibel "Operation Gomorrha" nach dem ersten Buch Mose nannten, orientierten sich die Bomber bei ihren ersten Anflügen an der Hauptkirche St. Nikolai, dem dritthöchsten Kirchturm Deutschlands. Es folgten weitere Angriffe der britischen und der US-Luftwaffe. Am Ende waren 900.000 Menschen obdachlos, 24 Krankenhäuser, 277 Schulen und 58 Kirchen waren zerstört. Verheerend für den Osten Hamburgs war vor allem der "Feuersturm" in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli. Damals war in Hamburg sehr warmes Sommerwetter. Dann rissen Sprengbomben die Dächer auf, Phosphorbomben setzten die Wohnhäuser vom Erdgeschoss an blitzartig in Brand. Durch den heißen Untergrund und die trockene Luft begünstigt, bildete sich wie in einem Kamin ein "Luftschornstein".

In der Hitze schmolz sogar der Asphalt

Mit einer Geschwindigkeit von mehr als 250 Kilometer pro Stunde zogen die Flammen nach oben und ließen auch kleinere Feuer immer wieder aufflammen. Bäume wurden ausgerissen, Autos und brennende Holzbohlen durch die Luft geschleudert. In der Eiffestraße, eine der Verkehrsachsen in Hamm, war der Asphalt geschmolzen. "Menschen blieben mit den Füßen stecken, versuchten sich mit den Händen loszustemmen. Nun lagen sie da auf Händen und Knien und schrien", so eine damals 19-jährige Anwohnerin. In dieser Nacht starben rund 30.000 Menschen. Die meisten wurden nicht durch Bomben getötet, sondern erstickten, weil der Feuersturm den Sauerstoff aufsog. Andere verglühten bei den hohen Temperaturen. Der Stadtteil Hamm hatte im Mai 1943 noch 90.316 Bewohner. Im Oktober wurden nur noch 622 Lebensmittelkarten angefordert. Von den Wohnhäusern blieben allein die skelettartig nackten Wände stehen. Mit Kreide schrieben Überlebende, die ihre Angehörigen suchten, Botschaften an die stehen gebliebenen Häuser. Weitere Bomberangriffe folgten, doch war die Zerstörung wegen aufkommender Wolken und Gewitter nicht mehr so groß. Unmittelbar danach verließen rund 900.000 Hamburger ihre Stadt.

Zentrale Gedenkveranstaltung im Michel

Die Gedenkveranstaltung am 22. Juli beginnt um 13 Uhr mit einer Kranzniederlegung am Mahnmal St. Nikolai. In der Hauptkirche St. Michaelis sprechen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Bischöfin Kirsten Fehrs und Erzbischof Stefan Heße. Die Kantorei St. Michaelis singt die von Michel-Kantor Manuel Gera vertonte Coven-try-Litanei. Der Autor und Künstler Michael Batz liest aus seinem Werk „Neun Sätze nach Feuer“.  

Weitere Veranstaltungen in ganz Hamburg

Ab Freitag, 20. Juli, zeigt das Mahnmal St. Nikolai die Sonderausstellung "Vor uns lagen nur Trümmer – KZ-Häftlinge im Einsatz nach der ‚Operation Gomorrha’". Zur Eröffnung um 17 Uhr sprechen Kultursenator Carsten Brosda (SPD) und KZ-Gedenkstättenleiter Detlef Garbe. Nach den Angriffen der "Operation Gomorrha" wurden laut Ankündigung des Veranstalters vielerorts Häftlinge des Konzentrationslagers Neuengamme zu Aufräumarbeiten eingesetzt – ihre Erfahrungen in der zerstörten Stadt sollen nun im Zentrum der Ausstellung stehen. Demnach mussten die Gefangenen "unter oft grauenvollen Bedingungen Trümmer räumen, Leichen bergen und Blindgänger suchen"; Hunderte von ihnen seien bei folgenden Luftangriffen ums Leben gekommen. Für die Bevölkerung seien die KZ-Häftlinge deutlich sichtbar gewesen, manchmal sei es zu direkten Kontakten gekommen.
Die Ausstellung ist eine Kooperation der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und des Mahnmals St. Nikolai, gefördert von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Sie ist bis zum 29. September im Mahnmal St. Nikolai,  Willy-Brandt-Straße 60, täglich von 10 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt zu sehen.

Gottesdienste in Ohlsdorf, Barmbek und Wandsbek

Im Norden Hamburgs veranstalten die evangelischen Kirchengemeinden am 29. Juli, um 11 Uhr gemeinsam einen Gedenkgottesdienst: Auf dem Friedhof Ohlsdorf wird Pastor Ulrich Hentschel die Predigt halten. Beim Ohlsdorfer Friedensfest vom 21. Juli bis 5. August stehen die Nachkriegsjahre und deren Bedeutung für die Gegenwart im Fokus. Ein Friedensgottesdienst wird am Sonntag, 29. Juli, um 10 Uhr in der Kreuzkirchen-Gemeinde in Barmbek, Wohldorfer Straße 30, gefeiert. Die Lesung "Bomben über Hamburg" findet am gleichen Tag ab 19.30 Uhr in der Wandsbeker Christus-Kirche, Robert-Schumann-Brücke 1, statt.