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Alpen zwischen Klimafolgen und wachsendem Tourismus

Bergsport liegt seit Jahren im Trend: An schönen Tagen sind die bayerischen Wanderparkplätze überfüllt, die Hütten an den Wochenenden weit im Voraus ausgebucht. Doch die Alpen befinden sich im Klima-Stress: Wo der Permafrost, also die tiefen gefrorenen Erdschichten, auftaut, kommen Wege und Schutzhütten ins Rutschen, Starkregen sorgt für Murenabgänge. „Es passieren viel mehr Felsstürze, als die Öffentlichkeit mitbekommt“, warnte der Extrembergsteiger Stefan Glowacz am Montag bei einem Gespräch mit dem bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) im Münchner Presseclub. Auch deshalb forderte der 60-jährige Alpinist neue Tourismuskonzepte in bayerischen Bergregionen, um Menschen für den Schutz der Berge zu sensibilisieren.

Den Ausbau bayerischer Skigebiete bezeichnete Glowacz dabei als „kurzsichtig und dumm“, weil diese Investitionen „in ein paar Jahren wertlos“ seien. Er trifft damit den Nerv einer Debatte, die im Frühsommer durch das geplante Dritte Modernisierungsgesetz des Freistaats ausgelöst wurde. Dessen Entwurf sieht die Anhebung verschiedener Schwellenwerte vor, so dass Bauvorhaben in Skigebieten weniger häufig einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen. Dagegen stemmt sich das Bündnis „Rettet die Berge“, dem neben Grünen, SPD und ÖDP auch zahlreiche Umwelt- und Bergsportverbände wie der Deutsche Alpenverein (DAV) angehören.

„Von 60 bayerischen Seilbahnen müssten künftig nur noch sieben eine UVP durchführen“, sagte DAV-Naturschutzreferent Steffen Reich dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Alpenverein betrachte das als „Rückschritt beim Alpenschutz“, zumal die erwünschte Zeitersparnis bei den Bauvorhaben gar nicht sichergestellt sei. Umweltminister Glauber hingegen erklärte im Presseclub, dass erfahrungsgemäß auch mit UVP die meisten Bauprojekte der Seilbahnbetreiber umgesetzt würden: „Die Bürgerentscheide vor Ort sind oft pro Bahn, der Tourismus siegt“, sagte der Minister. Die Menschen hätten kein Verständnis dafür, wenn solche Projekte dann aber wegen langwieriger Verfahren zehn Jahre bis zur Fertigstellung bräuchten.

Statt Verbote aus München zu erlassen, müsse man die Menschen vor Ort für neue Tourismuskonzepte gewinnen. Dabei gehe es auch um die Frage, ob „wir alles machen müssen, um noch den letzten Besucher zu bespaßen, oder ob wir den Naturraum selbst als Einladung begreifen“, sagte Glauber. Stoppen ließe sich Bergtourismus nicht, statt dessen müssen man die Menschen „lenken und leiten“.

Grundsätzlich sprach sich auch Alpinist Glowacz für den Bergtourismus aus, lehnte es aber ab, die Berge mittels Hängebrücken oder Aussichtsplattformen „in einen Freizeitpark“ zu verwandeln. Statt dessen müsse man die Menschen für die Schönheit der Bergwelt sensibilisieren. „Je schneller und digitaler unser Alltag ist, desto mehr sehnen sich die Menschen nach etwas Authentischem wie der Natur“, sagte der Buchautor und Filmemacher. Es gehe nicht darum, den Menschen aus den Bergen „herauszuschützen“: „Der Mensch soll die Natur betreten, denn nur was er tatsächlich begreifen kann, will er auch schützen“, so Glowacz.

Gerade beim Thema Mobilität brauche es deshalb „clevere Angebote“ seitens der Tourismusverbände, um die Belastungen für die Region zu reduzieren. Eine Gesamtentwicklung sei aber nur durch mehr Kooperation zwischen Politik, Verbänden und Touristikern möglich: „Da gibt es akuten Nachholbedarf.“ Der Klimawandel in den Alpen habe gerade erst begonnen und werde die Gesellschaft über Generationen verfolgen. „Da gibt es keinen Aus-Schalter, auch wenn wir ab sofort alles CO2 einsparen“, betonte Glowacz. (2140/30.06.2025)