Allerlei Geschichten und Überlebenstipps für die Wiesn
Pfarrer Rainer Maria Schießler hat seine Liebeserklärung ans Oktoberfest bereits verfasst. Nun legt Margarete Prijak nach und erzählt, was sie seit 1987 als Bedienung auf dem größten Volksfest der Welt alles erlebt hat.
Die einen sind froh, wenn der Rummel vorbei ist, die anderen können es gar nicht erwarten, bis es wieder heißt: “O’zapft is!”. Genau so heißt auch das aktuell im Goldmann-Verlag erschienene Buch von Margarete Prijak. 1987 wurde sie 16. Seither arbeitet sie als Bedienung auf dem Münchner Oktoberfest.
Nur ein gebrochenes Knie, die Geburt ihres Sohnes sowie zwei Jahre Pandemie konnten sie fernhalten. Längst ist “Maggy” eine Institution in der Augustiner Festhalle; das heißt im Garten. Um nichts würde sie drinnen arbeiten wollen, selbst Regen und Kälte können ihr nichts anhaben in ihrem rund 50 Quadratmeter großen “Wohnzimmer”.
Die Idee, mal aufzuschreiben, welch verrückten, lustigen und berührenden Geschichten sie erlebt hat, war zu einer Freundin nur so dahingesagt. Die aber schleppte das bayerische Original zu einer Literaturagentin, und die Sache nahm Gestalt an. Den Leser erwarten keine Promi-Geschichten. “Uns geht es um die Menschen hinter den Namen”, schreibt Prijak. Von denen trifft sie jedes Mal eine ganze Menge in den 16 Tagen. Zuletzt kamen mehr als sieben Millionen Besucherinnen und Besucher auf die Wiesn.
Da sind die Stammgäste, die sogar “Maggys” private Handynummer haben, und nur bei ihr im Freien sitzen wollen. Es geht ans Herz, wie die Autorin beschreibt, wie man miteinander Freud und Leid teilt. Einer vertraute ihr sogar sein erspartes Geld an, damit sie als stets nüchterne Bedienung den Überblick über seine Wiesn-Ausgaben behält. Ein anderer, seines Zeichens Arzt, machte eine Kollegin sofort wieder fit für den Dienst, indem er der Patientin auf einem Biertisch der Patientin die Knochen einrenkte.
Ist nicht gerade Stoßzeit, nimmt “Maggy” auch mal Kinder an die Hand und zeigt ihnen die Hendlbraterei im Zelt. Währendessen können die Eltern in Ruhe Brotzeit machen. Gummibärli und andere Süßigkeiten hat die Bedienung stets in ihrem “Gschirr” dabei, wie sie die um die Taille gebundenen Ledertaschen nennt. Blasenpflaster und Schmerzmittel gehören ebenfalls zu den notwendigen Utensilien. Griffbereit sind auch Einmalhandschuhe, extrareißfest, und ein Putzlumpen. Falls Gästen das Bier und das Hendl wieder vorne rauskommt.
Womit wir beim Bier wären: “Eine Maß ist ein Liter und wiegt ungefähr ein Kilo, der gläserne Bierkrug schlägt mit 1.300 Gramm zu Buche.” Sechs bis acht Krüge schleppt “Maggy” in der Regel. Wächst der Durst mit dem Sonnenschein, können es auch mal zehn bis zwölf sein, “aber nur, wenn ich muss. Denn jeder Gang macht schlank, ich bin schnell, mit Schuhgröße 43 ein Leichtes, und die Schenke ist zum Glück nicht weit.” So süffig die Maß daherkommt, die Gefahren des Alkohols sind ihr bewusst. Sie lässt sich den Ausweis zeigen, ob der jugendlich wirkende Gast auch 16 ist, selbst wenn er sich als 21-Jähriger herausstellt.
Manchem rät sie vom Weitertrinken ab. Ein groß gewachsener Mann wollte sich dagegen verwehren. Doch als er sich erhob, landete er auf dem Hosenboden. Und da gab es jenen Zeitgenossen, der sich im Unterhemd niederließ, geschmückt mit einem riesigen Goldgehänge. Als er mit einem Rülpser Stunden später in die Nacht entschwand, hatte er auf der Serviette etwas zurückgelassen: sein halbes Gebiss. Die Zahnprothese wanderte ins Fundbüro “und schloss dort auch gleich Freundschaft mit der Beinprothese”, die in einem Zelt verloren gegangen war.
Niedergeschrieben sind diese Anekdoten so lebendig, dass man glaubt, Prijak stünde neben einem. Dazwischen gibt es Tipps rund um den Wiesnbesuch und Nachhilfe in Bairisch. “An Guadn” ist der freundliche Wunsch der Bedienung, sich das servierte Essen schmecken zu lassen. Ein “Noagerl” ist der letzte Schluck im Krug. Um sich eine Maß Bier leisten zu können, braucht jeder Besucher ein “Diridari” (Geld).
Schon Prijaks Mutter bediente auf dem Volksfest, die Tochter folgte und weitere Verwandte. Von einem Wiesn-Virus will sie seit Corona nichts wissen. Von einer Wiesn-DNA könne man reden und von einer Wiesn-Familie zusammen mit dem weiteren Kollegenkreis. Auf dem Oktoberfest fühlt sie sich einfach am richtigen Platz: “Weil ich Menschen gern zusammenbringe und weil es schön ist, sich mal auszuklinken und ein Stückchen Frieden auf dieser Welt zu haben.”