Aktivist statt Präsident: Klimaschützer Al Gore wird 75 Jahre alt

Dem Ex-Vizepräsidenten und Friedensnobelpreisträger fehlten für die US-Präsidentschaft im Jahr 2000 wenige hundert Stimmen. Was wäre gewesen, wenn der Umweltaktivist Klima-Präsident geworden wäre?

Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore erhielt 2007 den Friedensnobelpreis, unter anderem für seinen Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit“
Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore erhielt 2007 den Friedensnobelpreis, unter anderem für seinen Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit“Imago / ZUMA Wire

Zum US-Präsidenten hat es nicht gereicht, zum Friedensnobelpreis schon: Der frühere US-Senator und demokratische Vizepräsident Al Gore wird am 31. März 75 Jahre alt. Den Nobelpreis bekam Albert Arnold Gore 2007 wegen seiner nachdrücklichen Warnungen vor dem Klimawandel. Die Präsidentschaftswahl verlor er im Jahr 2000 gegen George W. Bush. Zuvor war er seit 1993 Vizepräsident unter Bill Clinton gewesen.

Die Wahl Bush gegen Gore war denkbar knapp: Die Stimmenauszählung dauerte fünf Wochen. Als das Oberste US-Gericht den Prozess von Nachzählung und Neuauszählung schließlich stoppte, hatte Bush im ausschlaggebenden Staat Florida 537 Stimmen mehr.

Lob für Greta Thunberg

Gores großes Thema ist der Umweltschutz, bis heute. Im Januar 2023 hielt er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos eine Wutrede: Die Klimakrise verschlimmere sich. Trotz aller Versprechen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, nähmen diese zu. Die Öl-, Kohle- und Gasindustrie kämpfe mit „Zähnen und Krallen“ gegen Reformen. Gore lobte den Einsatz von Greta Thunberg. Es existiere ein Graben zwischen jungen Menschen und denen, die „alt genug sind, Positionen der Macht einzunehmen.“

Die politische Karriere war ihm in die Wiege gelegt worden. „The Prince of Tennessee“ (Der Prinz von Tennessee) heißt eine Biografie über ihn. Al Gore komme aus der „politischen Aristokratie“ seines Heimatstaates Tennessee, schrieben darin Ellen Nakashima und David Maraniss.

Vater Albert Gore war US-Senator von 1953 bis 1971. Der junge Al wuchs in privilegierter Umgebung in Washington auf. Die Sommerferien verbrachte er dem Bauernhof der Familie in Tennessee, wo er Schweineställe ausgemistet und Tabak geerntet haben soll. Wie andere seiner Generation stand der Harvard-Absolvent Anfang der 70er Jahre, zu Zeiten des Vietnamkriegs, vor der Frage der Wehrpflicht. Gore hätte vermutlich einen Aufschub erwirken können. Mitglieder privilegierter Familien gingen selten nach Vietnam. Gore ging 1971, wurde dort Reporter bei einer Zeitung für US-Soldaten.

„Er ist ein tief religiöser Mensch“ – zu dieser Schlussfolgerung kam der ehemalige Direktor der „Vanderbilt Divinity School“, Walter Harrelson. Al Gore, aufgewachsen als Baptist, hat dort nach seinem Vietnameinsatz ein Jahr lang studiert. Man habe nicht angenommen, dass er Pastor werden würde, sagte Harrelson vor Jahren in einer Fernsehdokumentation über Gore. Aber der Politiker sei ein reflektierender Mensch, er habe herausfinden wollen „was die Nation am meisten braucht“, und was er beitragen könne.

Freihandel statt Dekade der Umwelt

Es folgte der politische Aufstieg. 1976 wurde Gore in Tennessee zum Kongressabgeordneten gewählt, 1984 zum Senator. 1992 trat er mit seinem Umweltbestseller „Earth in the Balance“ an die Öffentlichkeit (deutsch: „Wege zum Gleichgewicht. Ein Marshallplan für die Erde“). Gore hoffte auf eine „Dekade der Umwelt“.

Im brasilianischen Rio de Janeiro trafen sich 1992 Vertreter von 178 Ländern zur UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung. Er habe seine Prioritäten überdacht, schrieb Gore später in einer Neuauflage seines Buches. Die Arbeit am Buch habe mit dazu geführt, seine politische Tätigkeit auf die Klimakrise zu konzentrieren. Doch erst einmal kamen acht Jahre als Bill Clintons Vizepräsident. Da stand eher der Freihandel als das Klima im Vordergrund.

Clintons Nachfolger im Präsidentenamt wurde dann Bush, nicht Gore. Ein Grund für Gores Niederlage war ausgerechnet die „Grüne Partei“. Deren Kandidat Ralph Nader bekam im entscheidenden Bundesstaat Florida 97.421 Stimmen. Gore gratulierte Bush, akzeptierte das Urteil des Obersten Gerichts und sagte in einer Fernsehansprache: „Wir leben in Amerika. Wir kämpfen hart.“ Doch nach der Wahl erkenne man das Ergebnis an.

Es fällt in die Kategorie „was wäre gewesen, wenn“: Wäre Gore Präsident geworden, hätten die USA im Jahr 2001 einen Klima-Präsidenten gehabt. 2006 brachten Gore und Regisseur Philip Davis Guggenheim den Weckruffilm „Eine unbequeme Wahrheit“ in die Kinos. Die Botschaft: Man müsse jetzt handeln, um die Erde zu retten. Der Dokumentarfilm erhielt 2007 einen Oscar. Und Gore bekam 2007 den Friedensnobelpreis, zusammen mit dem Weltklimarat IPCC.

Ein Radikaler wollte der Vater von vier Kindern, der auch Vorsitzender einer Investmentfirma für nachhaltige Anlagen ist, wohl nie sein. Aber als unermüdlicher Klimaaktivist hat er sich weltweit Anerkennung erarbeitet. Und es gebe auch Gutes zu berichten, sagte er in Davos: Präsident Joe Biden habe ein weitreichendes Klimagesetz durchgesetzt – rund drei Jahrzehnte nach Gores erstem großen öffentlichen Appell für den Klimaschutz.