Aktion Sühnezeichen: Hier kommen junge Ukrainerinnen auf andere Gedanken

Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste hat sich der Gedenk- und Versöhnungsarbeit verschrieben. Die Organisation beschäftigt in zwei Projekten junge ukrainische Freiwillige. Ein Erfahrungsbericht.

Evangelische Christen haben Aktion Sühnezeichen Friedensdienste 1958 ins Leben gerufen. Seitdem engagieren sich Menschen aller Altersgruppen in lang- und kurzfristigen Freiwilligen-Einsätzen in Ländern, die unter dem Nationalsozialismus besonders gelitten haben (Archivbild)
Evangelische Christen haben Aktion Sühnezeichen Friedensdienste 1958 ins Leben gerufen. Seitdem engagieren sich Menschen aller Altersgruppen in lang- und kurzfristigen Freiwilligen-Einsätzen in Ländern, die unter dem Nationalsozialismus besonders gelitten haben (Archivbild)epd-bild / Detlef Heese

Oleksandra erinnert sich noch genau: „Am 23. Februar 2022 abends war ich mit Freunden zusammen, es war ein ganz normaler Abend. Am nächsten Morgen um 5 Uhr wurde ich von Explosionen geweckt.“ Die junge Ukrainerin aus der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer ist dem Krieg in ihrem Heimatland entkommen. Aktuell nimmt sie als Freiwillige an einem Programm der Berliner Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) im polnischen Kraków (Krakau) teil.

Die 19-Jährige arbeitet im Krakauer Museum Galicja. Bei ihrer Arbeit trifft Oleksandra viele Menschen aus allen möglichen Ländern, doch neue Freunde hat sie vor allem unter Deutschen und Österreichern gefunden. „I’m in a German bubble“, erzählt Oleksandra dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mehrere Verwandte halten sich noch in ihrem vom Krieg heimgesuchten Heimatland auf: Mutter, Großmutter und eine Schwester sind in der Ukraine geblieben. Oleksandra hat nach eigener Aussage täglich für ein paar Minuten mit ihrer Familie Kontakt.

Manchmal boykottieren sie Kriegsnachrichten aus der Ukraine

Zu Beginn des Krieges, so schildert es die ASF-Freiwillige, lief der Fernseher nonstop, damit sie die Nachrichten über den Verlauf der Kämpfe verfolgen konnte. „Aber irgendwann wird jeder der Neuigkeiten müde“, räumt die junge Frau ein. „Es ist so böse, böse, böse und es wird schlimmer und schlimmer, denn es knipst das Militärische in dir an“, bricht es aus ihr heraus.

Ganz ähnlich handhabt es Mariia, ASF-Freiwillige in einem Theater in Lublin in Ostpolen. Die 30-Jährige stammt aus der westukrainischen Stadt Lwiw. „An manchen Tagen ist es sehr hart für mich, die Nachrichten zu verfolgen. Dann lese und höre ich sie nicht“, stimmt sie Oleksandra zu. „Du kannst nicht jeden Tag aktiv an diesem Krieg Anteil nehmen“, unterstreicht Mariia im Gespräch mit dem epd: „Das wäre wirklich schlecht für die psychische Gesundheit.“

Voller Trauer und Sorge

Mariia kämpft während des Gesprächs mit den Tränen, spricht oft mit zitternder Stimme. Dennoch sprudeln die Worte aus der jungen Ukrainerin heraus. Einige ihrer Bekannten und Freunde seien gestorben, manche von ihnen noch jünger als sie selbst. „Ich kann ihnen nichts mehr sagen, mich nicht mehr mit ihnen unterhalten – das ist hart“, beklagt sie. Traurig und voller Sorgen sei sie wegen des Krieges, erzählt Mariia. „Das Freiwilligenprogramm unterstützt mich und gibt mir eine sinnvolle Aufgabe. Im Moment bin ich dafür sehr dankbar, weil es mich erdet.“ Die 30-Jährige ist leidenschaftliche Tänzerin und geht diesem Hobby auch in Lublin nach. Sie leitet sogar eine Gruppe Lindy-Hop-Tänzer – Lindy-Hop ist eine Art Swingtanz. Weil alle anderen in der Gruppe Polen sind, versucht sie Polnisch zu sprechen. „Ich bin dankbar für diesen Kreis“, sagt Mariia.

Was kommt nach dem Freiwilligen-Programm?

Die beiden Ukrainerinnen bleiben planmäßig noch bis Ende August in ihren ASF-Programmen. Und was kommt danach? Die Antworten der beiden fallen ganz unterschiedlich aus: Mariia hofft darauf, nach Lwiw zurückgehen zu können, „weil Lwiw meine Heimatstadt ist. Ich würde mich dort am wohlsten fühlen.“ Oleksandra hingegen zieht es nicht zurück. Sie rede zwar darüber sehr oft und respektiere die Stimmen, „die sagen, dass die jungen Ukrainer zurückkommen und ihrem Land helfen sollen“. Doch „ich sehe es nicht als meine Lebensaufgabe an, mein Land wieder aufzubauen – dazu bin ich nicht bereit. Ich möchte mein Leben weiterleben, so wie es jetzt ist. Ich bin froh, hier in Sicherheit zu sein.“