Akademie der Künste will Diskurs beleben

Der neue Präsident der Berliner Akademie der Künste, Manos Tsangaris, will den gesellschaftlichen Dialog fördern. Aktuell sei der öffentliche Diskurs extrem auf den Gebrauch von Schlagwörtern reduziert, sagte der am Wochenende zum Akademie-Präsidenten gewählte Komponist am Montag in Berlin: „Wir müssen einander besser zuhören.“ Auch in den sogenannten sozialen Medien finde kein richtiger Diskurs statt.

Tsangaris kritisierte eine „kollektive Schnappatmung“ in öffentlichen Auseinandersetzungen. Dies gelte für die Akademie, wie für die Gesellschaft im Allgemeinen. Die „Ungenauigkeit des Diskurses“ sei fatal. Die Akademie sei deshalb „der richtige Ort, um zu differenzieren“. Aufgabe der Künste sei es, die „Grammatik der öffentlichen Kommunikation“ zu untersuchen und zu formen.

Der 67-Jährige war am Samstag von der Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit als Nachfolger der Filmregisseurin Jeanine Meerapfel an die Spitze der Akademie der Künste (AdK) gewählt worden. Die im Jahre 1696 gegründete Akademie in Berlin zählt zu den ältesten europäischen Kulturinstituten. Sie ist eine internationale Gemeinschaft von aktuell 407 Künstlerinnen und Künstlern. Meerapfels Amtszeit endete nach neun Jahren satzungsgemäß. Stellvertreter von Tsangaris ist der 50 Jahre alte Architekturpublizist und Kurator Anh-Linh Ngo.

Tsangaris zufolge hat die Akademie „herausfordernde Zeiten“ vor sich. Dabei verwies er unter anderem auf Haushaltslöcher, ohne diese zu beziffern. Deshalb sei die Leitung schon in direkten Gesprächen mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Zudem soll das Gebäude am Akademie-Standort Hanseatenweg voraussichtlich ab 2026 umfassend saniert und deshalb geschlossen werden. Weiter ist schon länger ein zentrales Archiv-Gebäude in der Nähe des Standortes Hanseatenweg geplant, um die bislang sechs Archiv-Standorte zusammenzuführen. Derzeit laufe dazu die Bedarfsplanung, hieß es nur.

Als weitere Aufgabe der Künstlervereinigung bezeichnete Tsangaris die Aufarbeitung der deutschen Wiedervereinigung. Er sprach unter anderem von „asymmetrischen Prozessen der Zusammenführung“ und daraus entstandenen Verwerfungen. Auch die Akademie ist seit 1993 ein Zusammenschluss von Ost- und Westakademie.

Der neue Vizepräsident der Akademie, Ngo, warb dafür, die Räume der Akademie etwa am Standort Pariser Platz „auch anderen zu öffnen“. Mit der „Öffnung nach außen“ solle der Diskurs belebt werden.

Mit Blick auf eine geplante Veranstaltungsreihe in der Akademie „zur Verteidigung der Kunstfreiheit“ in Deutschland nach dem 7. Oktober 2023 und dem Terrorangriff der Hamas auf Israel plädierte Tsangaris für neue Veranstaltungsformen. Er würde gerne „diese talkshowartige Panelsituationen“ von Podiumsgesprächen ergänzen.

Tsangaris unterrichtet unter anderem als Professor für Komposition in Dresden und gehört zu den bedeutendsten Vertretern des neuen Musiktheaters. Sein Stellvertreter Ngo wurde 1974 in Vietnam geboren, lebt in Berlin und studierte Architektur in Aachen. Er ist unter anderem Chefredakteur der Architektur-Zeitschrift „ARCH+“.