Abtreibungsgegner demonstrieren in München – Kirche im Zwiespalt

Tausende Demonstranten sollen am Samstag zum „Marsch fürs Leben“ in München mobilisiert werden. Die Organisatoren wünschen sich mehr Rückhalt aus der katholischen Kirche. Den sie aber nur vereinzelt bekommen.

Am 13. April findet in München zum vierten Mal ein „Marsch fürs Leben“ statt. Die Initiatoren aus dem Milieu christlich motivierter Abtreibungsgegner hoffen auf 8.000 Teilnehmer aus ganz Bayern. Das wären mehr als doppelt so viele wie 2023 und mehr als bei derartigen Kundgebungen vergangenen Herbst in Berlin und Köln zusammen. Kritiker aus dem linken Spektrum sprechen von der „größten rechten Mobilisierung in München“ und haben Gegendemonstrationen angekündigt.

Der Marsch richtet sich nach Angaben seiner Organisatoren „gegen Abtreibung, Euthanasie und alle anderen Angriffe gegen das menschliche Leben“. Mit der Veranstaltung wolle man „das Leben feiern und die Schönheit und Würde des menschlichen Lebens in jedem Moment seines Daseins bezeugen“.

Politisch ist das Thema gerade heiß. Kommenden Montag wird eine von der Ampelkoalition bestellte Kommission ihre Vorschläge zur Reform des Abtreibungsrechts präsentieren. Außerdem hat der Bundestag mit der Debatte über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung begonnen, der eine rechtliche Handhabe gegen sogenannte „Gehsteigbelästigungen“ vor Abtreibungskliniken und Beratungsstellen vorsieht. Beides wird von den Organisatoren des Münchner Marsches äußerst kritisch bewertet beziehungsweise abgelehnt.

Zu Wochenbeginn hatten Münchner Lebensrechtler in einem offenen Brief über mangelnde Wertschätzung ihres Engagements durch die katholische Kirche geklagt und mehr Unterstützung eingefordert. In einigen Kirchen Münchens und bayerischen Klöstern wird für eine Teilnahme geworben, ebenso auf der Internetseite des Bistums Regensburg. Dort ist auch eine Liste mit Bischofsterminen veröffentlicht. Aus ihr geht hervor, dass der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer zum „Marsch fürs Leben“ nach München kommen will. In Berlin ist er schon mehrfach mitmarschiert und wurde dafür auch innerkirchlich kritisiert.

Vom Passauer Bischof Stefan Oster gibt es ein bereits veröffentlichtes Grußwort. Darin dankt er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorab für ihren „kompromisslosen Einsatz für den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens“ und das persönliche Glaubenszeugnis, das sie damit ablegten.

Am Donnerstag schickte auch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke den Veranstaltern eine Solidaritätsadresse. Die Teilnehmer an dem Marsch setzten öffentlich ein Zeichen „für die Menschenrechte, für unsere Verfassung und für das ungeteilte Recht auf Leben“. Dies geschehe zu einem Zeitpunkt, in dem es Versuche gebe, „die klare Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes zum Schutz des ungeborenen Lebens umzudeuten und zu unterlaufen“.

Am Freitag verwies das Bistum Eichstätt auf eine neue Version des Grußworts, das nun auch eine Warnung enthält. „In dieser Situation müssen wir besonders darauf achten, dass unser grundgesetzlich gefordertes und christlich motiviertes Anliegen nicht von Gruppen gekapert wird, die den Einsatz für den Lebensschutz für andere politische Zwecke instrumentalisieren, die wir weder als freiheitlich-demokratische Staatsbürger und schon gar nicht als gläubige Christen gutheißen können“, schreibt Hanke.

Aus dem Erzbistum Bamberg hieß es auf Anfrage, Erzbischof Herwig Gössl teile das inhaltliche Anliegen der Veranstaltung, es werde aber niemand seitens des Erzbistums offiziell an dem Marsch teilnehmen.

Keinen Rückhalt hat der „Marsch fürs Leben“ dem Vernehmen nach beim Landeskomitee der Katholiken in Bayern, obwohl es dort ebenfalls Befürchtungen gibt, dass der Schutz ungeborenen Lebens in Berlin weiter aufgeweicht werden könnte. Diese Sorgen richten sich aber vor allem auf die umstrittene Beratungspflicht für abtreibungswillige Schwangere, an der das Landeskomitee unbedingt festhalten will. Mit Form und auch einigen Inhalten der Demonstration haben die Repräsentanten katholischer Verbände und Räte dagegen ihre Schwierigkeiten.

Das von den bayerischen Bischöfen 2018 eingerichtete Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde (KDM) empfiehlt Christinnen und Christen, dem „Marsch fürs Leben“ fernzubleiben. In den vergangenen Jahren hätten sich radikale und extrem rechte Akteurinnen daran beteiligt, teilte das KDM auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Es fehle den Veranstaltern am Bemühen, sich von Rechtsextremisten klar zu distanzieren.

Das KDM hält beim christlichen Engagement für das ungeborene Leben bestimmte Abgrenzungen für geboten. So dürfe dieses nicht absolut gesetzt werden, sondern müsse die Rechte und den Schutz Schwangerer im Blick behalten.

Kurz vor Ostern gab die „Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München“ eine Broschüre über „die selbsternannte Lebensschutz-Bewegung“ heraus. Demnach sind derzeit zehn Gruppierungen bei diesem Thema in der bayerischen Landeshauptstadt aktiv. Beim „Marsch fürs Leben“ 2023 habe ein Redner auf der Bühne „völkisch-rassistische Töne“ angestimmt. Die Fachinformationsstelle ist ein Kooperationspartner der Landeshauptstadt, versteht sich aber als unabhängig.

Die Organisationschefin des Münchner Marsches, Silja Fichtner vom Verein „Stimme der Stillen“, wies die Vorwürfe als taktisches Manöver zurück. Mit Labels wie „rechts“ oder „völkisch“ sollten „Lebensschützer zu Outlaws“ erklärt werden, schrieb sie auf der Internetplattform „Corrigenda“, die von einem ihrer Unterstützer betrieben wird. „Es ist davon auszugehen, dass diese Taktik vor allem damit zu tun hat, dass man sich mit der Position des Lebensschutzes gar nicht auseinandersetzen möchte.“