Abschiebung trotz Fachkräftemangel: Ein Pflegeheim vor dem Aus
Asylanträge abgelehnt: Die drohende Abschiebung von zehn kolumbianischen Pflegekräften bringt ein niedersächsisches Heim an den Rand der Schließung. Das Innenministerium sieht kaum Spielräume.
Die aktuelle Abschiebepolitik führt in Niedersachsen zu ungewöhnlichen Auswüchsen: Einem Pflegeheim für Demenzkranke droht nach eigenem Bekunden die Schließung, weil zehn kolumbianische Pflegekräfte abgeschoben werden sollen. Ohne die zehn Helfer, die ein Drittel der vorhandenen Pflegekräfte ausmachten, müsse es schließen, machte das Heim nordöstlich von Bremen kürzlich bekannt. Das Heim befürchtete die Abschiebungen ursprünglich schon in dieser Woche.
Die Einrichtung und die Angehörigen der Bewohner verlangen in einem Brief an Landes- und Bundespolitiker, die Abschiebungen auszusetzen. Die Unterzeichner fordern zudem eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die Pfleger, um sie weiter beschäftigen zu können.
Pflegeheim: Betroffenen haben Asylanträge gestellt
Laut Heim haben die Betroffenen Asylanträge gestellt und diese ausreichend begründet. Ein Pfleger sei etwa vor Rekrutierungsversuchen einer Guerillatruppe geflohen, eine Pflegerin vor Schutzgeldforderungen an ihre Familie. Trotz Nachweisen seien beide Anträge abgelehnt worden.
Die Pfleger lebten in Mietwohnungen, ihre Kinder gingen zur Schule, die Menschen engagierten sich im Beruf und in Vereinen, sagte Heimleiter Tino Wohlmacher. “Es ist absolut unverständlich, warum Menschen, die so gut integriert sind, hier Steuern zahlen und das Sozialsystem stützen, abgeschoben werden sollen.” Wegen des aktuellen Pflegenotstandes glaube er nicht an Ersatz für die ausfallenden Angestellten.
Niedersächsisches Innenministerium: Arbeitsfähigkeit des Heims nicht unmittelbar bedroht
Laut dem niedersächsischen Innenministerium ist die Arbeitsfähigkeit des Heims nicht unmittelbar bedroht. In dieser Woche sei keine Rückführung der zehn Kolumbianer in ihr Heimatland geplant, erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Fälle würden vom Ministerium derzeit mit der zuständigen Ausländerbehörde geklärt, um “gegebenenfalls mögliche Handlungsoptionen in dieser äußerst misslichen Lage zu prüfen”.
Das Heim kritisierte, die Abschiebungen seien damit nicht vom Tisch. “Ob das nun am 14., 16. oder 20. passiert, ändert rein gar nichts daran: Wir können unsere Mitarbeiter nicht einfach so ersetzen”, so Co-Heimleiterin Andrea Wohlmacher. Das Innenministerium habe bisher weder zur Heimleitung noch zu Betroffenen oder zur Angehörigeninitiative Kontakt gesucht.
Pro Asyl fordert: Pflegekräften ein Bleiberecht gewähren!
Auch die Initiative Pro Asyl forderte die Landesregierung auf, ihre Spielräume zu nutzen und den zehn Pflegekräften ein Bleiberecht zu gewähren. “Wenn es nicht so bitter wäre, könnte es eine Geschichte aus Absurdistan sein: Auf der einen Seite die Rufe nach Fachkräften, auf der anderen Seite die drohende Abschiebung um jeden Preis von genau diesen”, erklärte der flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows.
Der Umgang mit kolumbianischen Asylsuchenden ist in Niedersachsen seit Jahren ein Thema. Bis August vergangenen Jahres war es als einziges Bundesland für die Aufnahme zuständig. Kolumbien steht in Niedersachsen daher an dritter Stelle der Herkunftsländer. Die Chance, als Geflüchtete in Deutschland anerkannt zu werden, ist jedoch für die Menschen aus dem südamerikanischen Staat verschwindend gering – obwohl dort seit Jahrzehnten ein bewaffneter Konflikt herrscht.
“Spurwechsel” auch für Fachkräfte möglich?
Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gebe es hier wenig Spielraum, erklärte das SPD-geführte Innenministerium in Hannover. Das sogenannte Spurwechselverbot lasse es leider gerade nicht zu, dass erfolglos gebliebene Asylsuchende zu einem Arbeitsaufenthalt wechseln könnten. Zwar habe der Bund im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes eine Ausnahme beschlossen. Danach dürfe Ausländern aber nur dann ein Aufenthaltstitel als Fachkraft erteilt werden, wenn sie vor dem 29. März 2023 eingereist seien und wenn sie ihren Asylantrag zurücknehmen würden.
Innenministerin Daniela Behrens habe sich auf Bundesebene immer wieder dafür eingesetzt, dass der “Spurwechsel” auch für Fachkräfte möglich wird, deren Asylantrag bereits abgelehnt wurde. Ihre Initiativen seien jedoch nicht vollumfänglich aufgegriffen worden.
Zielführender ist daher laut Ministerium für Kolumbianer, sich aus ihrer Heimat um einen Aufenthaltstitel als Fachkraft zu bemühen. Niedersachsen sei grundsätzlich sehr daran interessiert, ausländische Fachkräfte aufzunehmen – wenn sie auf legalem Wege nach Deutschland kämen.