Abschiebegesetz: Juristen sehen Gefahr für Seenotrettung

Trotz Dementis von Bundesinnenministerium und Abgeordneten der Ampelkoalition sehen Juristen bei den Gesetzesplänen für eine schärfere Abschiebepraxis weiter eine Gefahr für Seenotrettungsorganisationen. Die durch eine Detailänderung geplante Ausweitung der Strafbarkeit für das sogenannte Einschleusen von Ausländern auch auf uneigennützige Fälle führe dazu, dass die organisierte Seenotrettung unter der Gefahr einer Strafverfolgung stehen könnte, sagte der Asylrechtsexperte Berthold Münch vom Deutschen Anwaltverein am Montag in einer Bundestagsanhörung.

„Sie kriminalisieren eine simpelste menschliche Pflicht“, sagte er an die Abgeordneten gerichtet. Dies finde er „außerordentlich problematisch“, ergänzte er und verwies darauf, dass die Kirchen, insbesondere die evangelische, entsprechende Organisationen unterstützen.

Auch der Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Philipp Wittmann, sieht für Seenotrettungsorganisationen die Gefahr einer Kriminalisierung durch das geplante Gesetz. Die Kritik an dem Passus sei nicht von der Hand zu weisen, sagte er. Zwar habe das Bundesinnenministerium zugesagt, in der Gesetzesbegründung klarzustellen, dass dies nicht die Intention sei. Dies sei aber nicht ausreichend, sagte Wittmann. Die Klarstellung müsse im Gesetz selbst erfolgen, da Gesetzesbegründungen nicht zwingend im Falle eines Verfahrens berücksichtigt werden müssen.

Wittmann schlug vor, im Gesetz einzuschränken, dass die Änderung nur für Schleusungen über den Landweg gelte. Da gebe es in aller Regel die „Rettungsproblematik“ nicht, sagte er.

Am Freitag hatten auch Rechtswissenschaftler aus Lüneburg und Hamburg in einem Rechtsgutachten dargelegt, dass sie durch die Gesetzespläne von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Gefahr einer Kriminalisierung der Seenotrettung sehen. Ihr Entwurf für das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz zielt mit einer Reihe von Ausweitungen der Befugnisse der Sicherheitsbehörden auf eine schärfere Abschiebepraxis. Am Montag wurde der Entwurf in einer Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Bundestags beraten. Die Abgeordneten können den Entwurf noch ändern, bevor er in die Abstimmung ins Parlament geht.