“Nein, wir sind keine Heiligen und wollen es auch nicht werden”, bekannte einmal der frühere CSU-Generalsekretär Markus Blume. Was seine Partei aber sei: “eine einzigartige politische Gemeinschaft, die die bayerische Urgewalt mit der Idee der modernen Volkspartei verbindet und damit eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte hingelegt hat.” Was vor fünf Jahren galt, gilt auch zum 80-jährigen Bestehen der CSU. Der Geburtstag wird in München gefeiert – natürlich auch mit einem ökumenischen Gottesdienst. Denn dem “C” im Namen fühlt man sich verpflichtet – bis heute. Auch wenn darüber immer wieder Debatten geführt werden.
CSU bleibt in Bayern trotz Stimmenverlust eine Volkspartei
Wer sich umschaut, was aus christdemokratischen Parteien in Europa so geworden ist, sollte dieses Bekenntnis nicht als selbstverständlich nehmen. Die CSU ist in Bayern weiter Volkspartei. Auch wenn sie bei der Landtagswahl zuletzt Federn lassen musste und die absolute Mehrheit inzwischen in weite Ferne gerückt ist.

Am Bekenntnis zu christlichen Traditionen und Werten hält die Partei nicht nur programmatisch fest. Das zeigt sich bei Fragen wie dem Schutz der Feiertage oder dem Religionsunterricht, aber auch bei der öffentlichen Sichtbarkeit von Religion. Nach dem Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1995 demonstrierten Kirchenvertreter und Bayerns CSU-Staatsregierung Seit’ an Seit’ für das Kreuz im Klassenzimmer.
Streit um das Kreuz: Wie sich CSU und Kirchen entfremden
Als jedoch Markus Söder 2018 als neuer bayerischer Regierungschef veranlasste, in allen Landesbehörden Kreuze aufzuhängen, knirschte es im Verhältnis zu den Kirchen. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx warf ihm vor, “Spaltung, Unruhe, Gegeneinander” ausgelöst zu haben. “Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden.” In der Flüchtlings- und Migrationspolitik gehen die Meinungen gleichfalls immer wieder auseinander.
Der Wandel der Zeit hat seine Spuren an der CSU wie an der Kirche hinterlassen. Ein klerikal-katholischer Blick auf die Welt, wie ihn Alois Hundhammer oder Fritz Schäffer in den 1950er Jahren vertraten, konnte sich nicht durchsetzen. Die katholische Kirche wiederum bestimmte ihr Verhältnis zur Welt im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) völlig neu und schaltete von Abwehr in den Dialogmodus um.
Weg vieler CSU-Politiker: Von der Landjugend in den Landtag
“Politische Prälaten” wie der aus Bamberg stammende Geistliche Georg Meixner, der sogar zeitweise an der Spitze der Fraktion im Landtag stand, sind Geschichte. Heute wäre undenkbar, dass ein katholischer Priester als Abgeordneter aktiv in der Politik mitmischt. Und kirchenrechtlich auch verboten. Allerdings waren die katholischen Verbände jahrzehntelang so etwas wie der Jungbrunnen der CSU, der ihr verlässlich politische Talente zuführte.
Bestes Beispiel: der einstige Landtagspräsident und frühere CSU-Fraktionsvorsitzende Alois Glück (1940-2024), ein Gewächs aus der katholischen Landjugend. Als Vordenker zog er sich regelmäßig in die Einsamkeit von Berghütten zurück, um an Grundsatzprogrammen der Partei zu feilen, die geprägt waren von katholischer Soziallehre und christlichem Menschenbild. “Ich hätte öfter auf ihn hören sollen”, bekannte Söder bei Glücks Trauerfeier im Münchner Liebfrauendom.
CSU-Kanzlertraum – Strauß und Stoiber scheitern in Berlin
Zweimal träumte die CSU davon, den Kanzler zu stellen. Aber der Übervater der Partei, Franz Josef Strauß (1915-1988), scheiterte 1980 mit seiner Kandidatur genauso wie Edmund Stoiber 2002. Den bundespolitischen Anspruch erhalten die bayerischen Christsozialen dennoch weiter aufrecht. Vom Freistaat aus wird eigenständig Außenpolitik betrieben. Unter vier Augen etwa besprach Strauß mit Papst Johannes Paul II. 1985, wie man den Menschen hinter dem Eisernen Vorhang zur Freiheit verhelfen könne. Nur zwei Jahre zuvor hatte Strauß mit der Einfädelung eines Milliardenkredits für die klamme DDR seinen größten Coup gelandet.

Die CSU-Chefs und die Päpste sind ein eigenes Kapitel. Strauß-Tochter Monika Hohlmeier erinnert sich in einem Youtube-Video daran, dass Joseph Ratzinger als Erzbischof von München und Freising alle fünf bis sechs Wochen zu Gast in ihrer Familie gewesen sei. Als dieser 2005 Papst wurde, ließen es sich Bayerns Ministerpräsident Stoiber und später seine Nachfolger Günther Beckstein und Horst Seehofer nicht nehmen, dem Landsmann im Vatikan ihre Aufwartung zu machen. Zum Requiem des emeritierten Kirchenoberhaupts im Januar 2023 kam Söder mit einer bayerischen Delegation und bekundete: “Ich habe ihn gemocht.” Ein Jahr später traf er dann Papst Franziskus.
Verhältnis zwischen CSU und Kirche im Wandel der Zeit
Bei aller Grundsympathie füreinander – ausgerechnet beim katholischen Kernthema Lebensschutz kam es rund um die Jahrtausendwende zur schärfsten Kontroverse: Als die deutschen Bischöfe auf Druck von Rom aus der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung sich zurückziehen mussten, fühlte sich die CSU im Stich gelassen. Hatte sie doch bis zuletzt für die Pflichtberatung gekämpft.
Entsprechend waren prominente katholische Köpfe der Partei wie Hans Maier, Alois Glück und Barbara Stamm mit an Bord, als Donum Vitae (Geschenk des Lebens) gegründet wurde. Dieser Verein übernahm einen Großteil des bisherigen Personals der katholischen Beratungsstellen. Dafür hat Donum Vitae seitens der Kirche lange harte Kritik und Ausgrenzung hinnehmen müssen. Heute sind selbst die konservativsten deutschen Bischöfe froh, dass es die Pflichtberatung noch gibt.
CSU und Kirche: Demokratische Werte im politischen Diskurs
Zurück zur CSU: Von 1966 bis 2008 regierte diese in Bayern ohne Unterbrechung alleine. Danach gab es Koalitionen mit der FDP, seit zwei Legislaturperioden nun mit den Freien Wählern. Die Zeiten sind härter geworden. Grund ist das Erstarken einer Partei rechts von ihr, die es, geht es nach einem berühmten Diktum von Strauß, nie hätte geben dürfen. Noch sucht die CSU eine Strategie gegen diese Konkurrenz. Mit Anbiederung hat man es schon mal probiert, ohne Erfolg. Und die Kirche? Sieht sich inzwischen als Verteidigerin von Demokratie und Aufklärung. Das sei nun wirklich eine “Ironie der Geschichte”, befand unlängst der Münchner Kardinal Reinhard Marx.
