Von April bis Ende Oktober würdigt Görlitz 500 Jahre Reformation in der Stadt. Wofür steht das Motto „Bürger. Mut. Glaubenskraft.“, Frau Hüttig?
Antje Hüttig: Es zeigt Görlitzer Stadtgeschichte. Zudem schlägt es eine Brücke in die Gegenwart. 1525 war ein markantes Jahr: die erste Taufe in Deutsch, das Abendmahl in beiderlei Gestalt, die sichtbare Veränderung der Zeremonien, der verheerende Stadtbrand. Ein Drittel der Häuser brannte ab. Der Wiederaufbau war der Beginn der Frührenaissance in Görlitz. Damit brach ein neues Bauzeitalter an. Symbolisch feiern wir das Jubiläum jetzt mit 95 Veranstaltungen (die Zahl der lutherischen Thesen). Wichtig ist: Wir feiern das Jubiläum ökumenisch und grenzübergreifend.
Wie verlief es bislang?
Das Jubiläum lebt von vielen kleinen Höhepunkten. Sehr feierlich war der Eröffnungsgottesdienst. Weit über 500 Teilnehmer aus allen evangelischen Kirchengemeinden der Stadt kamen. Mit dabei war die Evangelisch-Augsburgische Kirchengemeinde aus Lubań (Polen). Ihr Pfarrer Cezary Królewicz sprach die Einsetzungsworte für das Abendmahl auf Polnisch. Er ist mit der Innenstadt-Gemeinde Görlitz stark verbunden. Beim Eröffnungsgottesdienst feierten wir das Abendmahl an sieben Tischen. Das war eine Herausforderung. Fazit war: Ein so vielfältiger Gottesdienst könnte jährlich stattfinden.
Wie ist das Echo auf das Jubiläum?
Wir spüren viel Offenheit. Es ist gelungen, auch nichtkirchliche Akteure und die Zivilgesellschaft einzubinden. Das Schlesische Museum zum Beispiel legte seine Wanderausstellung von 2017 „500 Jahre Evangelisches Leben in Schlesien“ neu auf. Das Gerhart-Hauptmann-Theater erinnerte an die Geschichte des Schusters, Mystikers und Philosophen Jacob Böhme (1575–1624) in Görlitz. Der Schauspieler Paul-Antoine Nörpel zog als Bettler verkleidet durch die Stadt. Er zeigte einen Monolog von Chefdramaturg Martin Stefke nach Texten von Jacob Böhme. Die klare Botschaft dabei war: Es gibt unterschiedliche Zugänge zum Glauben. Es braucht Bürger, Mut und Glaubenskraft, wenn sich Widerstände auftun und Neues entsteht.
Welche Höhepunkte folgen noch?
In der Frauenkirche widmet sich am 23. Oktober ein Podiumsgespräch dem Thema „Martin Luther – ein früher Vertreter der sozialen Marktwirtschaft?“. Dabei geht es um die tiefgreifenden Folgen der Reformation. „Gott allein gebührt die Ehre“ (Soli Deo Gloria) ist Thema des Abschlussgottesdienstes am 31. Oktober in der Lutherkirche. Jugendliche aus evangelischen und freikirchlichen Gemeinden gestalten ihn gemeinsam. Predigen wird Alexander Becher, Lehrer am Joliot-Curie-Gymnasium. Musikalisch treffen sich Blech und Band. Nach dem Gottesdienst bleibt Zeit für Gespräche.
Wie ist Ihr Zwischenfazit zu „500 Jahre Reformation in Görlitz“?
Gelungen ist eine immense Themenvielfalt. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Glauben und Kirche. Doch es geht auch um Kunst, Kultur, Geschichte, Literatur und Politik. Kinder und Jugendliche übten Theaterstücke ein oder lernen unter fachkundiger Anleitung ein erstes Handwerkszeug des Schreibens. Erwähnenswert ist ebenfalls: Der Verein für schlesische Kirchengeschichte übernahm für seine Jahrestagung diesmal das Thema 500 Jahre Reformation in Görlitz.
Eigens zum Jubiläum gibt es sogar drei Reformations-Weine. Was hat es damit auf sich?
Initiatoren waren Superintendent Daniel Schmidt und Pfarrer Matthias Paul. Die Weine stammen aus der Pfalz vom Weingut Markus Schädler. Gern hätten wir auch Weine aus dem Mansfelder Land ausgewählt, jedoch war dort das Vorjahr sehr trocken und die Ernte eher mager. Die drei Weine sind historischen Persönlichkeiten aus der Zeit der Reformation gewidmet. Der Rotwein erinnert an Stadtpfarrer Franziskus Rothbart (1480–1570). Der Weißwein würdigt Stadtpfarrer Wolfgang Sustelius (gestorben 1553). Der Sekt erinnert an Reformationsgegner, Stadtchronist und Bürgermeister Johannes Hass (gestorben 1544). Die Weine werden bei den Veranstaltungen zu 500 Jahre Reformation ausgeschenkt und können auch in der Evangelischen Innenstadtgemeinde Görlitz erworben werden.
Antje Hüttig ist Koordinatorin des Jubiläums „500 Jahre Reformation in Görlitz“ und Referentin im Zentrum für Dialog und Wandel der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
