Ein Aufbruch, der versandete? Die Würzburger Synode hatte das Ziel, die Beschlüsse des Konzils für die Kirche in Deutschland auszuformulieren. Nicht alles entfaltete seine volle Wirkung.
In der katholischen Kirche in Deutschland ist seit einigen Jahren das Wort “Synode” so präsent wie kaum ein anderes: Man ist den Synodalen Weg gegangen, der in den Synodalen Ausschuss mündete, der wiederum eine Synodalkonferenz vorbereiten soll. Was Kirchenrechtler mehrfach betonten: Eine echte kirchenrechtlich bindende Synode ist das alles nicht. Doch ein Vorbild dafür gibt es in der deutschen Geschichte: die Würzburger Synode, die von 1971 bis 1975 tagte. Vor 50 Jahren, am 23. November 1975, ging sie zu Ende.
Manchem tun sich beim Wort “Synode” schon die ersten Fragezeichen auf. Immer dieses Kirchenlatein. Doch: Latein ist an dieser Stelle nicht ganz richtig; im Griechischen liegt der Ursprung. “Gemeinsamer Weg” ist die wörtliche Übersetzung und meint innerhalb der katholischen Kirche eine allgemeine Kirchenversammlung. Hier beraten bei weltkirchlichen Synoden der Papst, Bischöfe und inzwischen auch Laien; auf nationaler Ebene kommen Bischöfe zusammen, auch Laien können dabei sein.
Die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, so der offizielle Name der Würzburger Synode, war in ihrer Form eine einmalige Sache. Unter den 300 Teilnehmern waren 140 Laien – mit gleichem Stimmrecht wie die Bischöfe. Papst Paul VI. (1963-1978) hatte die Geschäftsordnung genehmigt, obwohl sie vom Kirchenrecht abwich. Ziel der Synode: die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) “eindeutschen”.
Schon zehn Jahre später hätte sie in ihrer damaligen Form nicht mehr stattfinden können, sagt Pastoraltheologe Christian Bauer der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Mit der Wahl von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) hätten sich die Vorzeichen innerhalb der Kirche schnell gewandelt. Denn: Mindestens so wichtig wie die Synode selbst sei die Zeit nach der Synode, in der ihre Beschlüsse in die Tat umgesetzt werden, erklärt Bauer. Den Teilnehmern der Synode war das bewusst. So setzten sie die abschließende Vollversammlung unter das Leitwort: “Die Synode endet – die Synode beginnt.”
“Die wirkliche Arbeit, nämlich das, was in Würzburg beraten und beschlossen wurde, mit Geist und Leben zu erfüllen, liegt noch vor uns”, schrieb der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Julius Döpfner, im Vorwort zu den zusammengefassten Beschlüssen der Synode. Döpfner, der auch Synodenpräsident war, starb noch vor der Veröffentlichung im Sommer 1976. An der Umsetzung der Beschlüsse konnte er nicht mehr mitwirken.
Nicht zuletzt auch durch seinen Tod hätten sich die Vorzeichen für die Kirche verändert, erklärt Bauer. “Die Nachsynode ist wie die Nachkonzilszeit in eine Phase der Restauration geraten. Von daher sind die Ergebnisse der Synode auch teilweise versandet.”
Als Beispiel nennt der Theologe die Laienpredigt. Paul VI. habe als Versuch für einen gewissen Zeitraum erlaubt, dass in einer Messe nicht nur Geistliche predigen dürften, sondern auch dafür ausgebildete Menschen, die keine Weihe empfangen hätten. In den 1990er Jahren habe der Vatikan das dann unterbunden.
Die Zeit nach der Würzburger Synode teilt Bauer in drei Phasen: Die erste Phase der “vorsichtigen Konsolidierung des Aufbruchs” endete mit dem Tod Pauls VI. Mit Johannes Paul II. und Benedikt XVI. (2005-2013) habe es einen “restaurativen Rollback” gegeben. Die Missbrauchskrise präge die dritte Phase, die das Ende von Benedikts Pontifikat und die Amtszeit von Franziskus umfasse.
Damit seien die Vorzeichen des Synodalen Weges in Deutschland, aber auch der 2021 begonnenen Weltsynode im Vatikan andere als bei den Kirchenversammlungen in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Und doch sieht Bauer Parallelen: Franziskus’ Idee sei die der gemeinsamen Nachfolge Jesu für eine Selbstbekehrung der Kirche. Das sei nah am “Evangelisierungsbegriff von Paul VI., der zunächst mit der Selbstevangelisierung der Kirche beginnt, und nicht am Begriff der Neuevangelisierung, der das Programmwort von Johannes Paul und Benedikt war”. Es gelte, zunächst selbst die Botschaft zu leben, bevor man neue Wege suche, sie anderen zu verkünden.
Während das Konzil und die darauf aufbauende Würzburger Synode einen “Aufbruch in die Krise” gebracht hätten, versuche die Kirche heute “einen Aufbruch in der Krise beziehungsweise aus der Krise heraus”. Damals wie heute stünden Reformen nicht um der Reformen willen auf der Tagesordnung, sondern mit Blick auf die Mission der Kirche in der Welt. Heute stelle sich die Frage: “Traut man in einer Gesellschaft, in der die Demokratie in Gefahr ist, einer immer noch sehr autoritären Kirche zu, ein glaubwürdiges Zeugnis für die gleiche Würde aller Menschen abzulegen?”
Die Würzburger Synode formulierte die Frage so: “Sind wir, was wir im Zeugnis unserer Hoffnung bekennen?” Wenn sich die Kirche an die Hoffnung anpasse, die sie aus dem Glauben ziehe, dann sei sie auch an das Heute angepasst.
Trotz unterschiedlicher Vorzeichen lauten Fragen also heute ähnlich wie vor 50 Jahren. Sich ihnen gemeinsam zu stellen, ist Ziel und Sinn synodaler Bestrebungen innerhalb der Kirche. Und bei allem zeigt sich: Das Ende einer Versammlung ist immer der Anfang der Umsetzung von Beschlüssen: “Die Synode endet – die Synode beginnt.”