200 Jahre Berliner Missionswerk: Es gibt einiges aufzuarbeiten

2024 begeht das Berliner Missionswerk sein 200-jähriges Bestehen. Höhepunkt ist das Jubiläumswochenende im September, zu dem viele Gäste aus den Partnerkirchen kommen. Ein Blick in die Geschichte.

Personen des Freiwiliggendienstes des Berliner Missionswerks bei einem Treffen am Wannsee
Personen des Freiwiliggendienstes des Berliner Missionswerks bei einem Treffen am WannseeGerd Herzog

Neben dem Eingang zum Berliner Missionswerk hängt ein „Zwitscherkasten“. Wer ordentlich kurbelt, kann der Audio-Datei Geschichten entlocken. Geschichten aus 200 Jahren Berliner Mission. Geschichten auch aus den weltweiten Partnerkirchen. 200 Jahre sind eine lange Zeit, in der es sowohl Kontinuität als auch Brüche gab. Am 29. Februar 1824 gründeten in Berlin zehn Männer – Juristen, Offiziere, Professoren und ein Pfarrer – die „Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden“. Schon 1823 hatte einer von ihnen einen Aufruf veröffentlicht, in dem er zur Unterstützung der Mission aufrief, die ihm angesichts der Entdeckung und Kolonialisierung Afrikas dringend geboten erschien.

Die Gründungsmitglieder der neuen Missionsgesellschaft waren Kinder ihrer Zeit. Vieles von ihrem Gedankengut erscheint uns heute fremd, manches befremdet uns auch, besonders ihre Geringschätzung der religiösen, kulturellen und zivilisatorischen Leistungen der Menschen, denen die Mission begegnen sollte. Doch waren solche Überzeugungen damals Gemeingut. Die Vermittlung des Glaubens wurde mit der Verbreitung der europäischen Kultur und Zivilisation verbunden.

Berliner Missionswerk: Licht und Schatten

Die Stimmung in Deutschland war anfangs sehr kritisch gegenüber dem Interesse an den Völkern in Afrika und später in China. Mit der sich ausbreitenden kolonialen Begeisterung im Deutschen Reich gegen Ende des 19. Jahrhunderts änderte sich das. Viele Unterstützer der Mission, aber auch einige Missionare und Komitee-Mitglieder, begrüßten eine Zusammenarbeit mit den kolonialen Behörden und förderten sie. Doch führten die unterschiedlichen Interessen oft auch zu heftigen Auseinandersetzungen. Während die Berliner Mission besonders in Afrika auf die Bildung der Einheimischen, auch der Frauen und Mädchen, Wert legte, damit sie selbstständig die Bibel lesen konnten und zum Glauben fanden, sprachen die Siedler ihnen die Bildungsfähigkeit und letztlich das Menschsein ab.

Das Gebäude des Berliner Missionswerkes um die Jahrhundertwende in Berlin
Das Gebäude des Berliner Missionswerkes um die Jahrhundertwende in BerlinArchiv Berliner Missionswerk

Da die Missionare die Getauften trotz aller Überlegenheitsgefühle als Schwestern und Brüder in die Gemeinde aufnahmen, führte dies zur erbitterten Feindschaft der sich um ihre billigen Arbeitskräfte beraubt fühlenden Siedler. Aber gerade dann war die Mission erfolgreich, wenn afrikanische und später chinesische Predigerinnen und Prediger ausgebildet wurden und eigenständig tätig werden konnten. Das Ziel der Berliner Mission war es immer, indigene Volkskirchen in den Missionsgebieten zu gründen. Deshalb wurde konsequent in den Ortssprachen unterrichtet.

Eine herausragende Rolle spielten die Frauen. In Afrika als Ehefrauen der Missionare, die die Schulen und Krankenstationen organisierten, und später auch in China, wo sie faktisch als selbstständige Missionarinnen wirkten. Damals wurden die Grundsteine zu einigen der heutigen Partnerkirchen des Berliner Missionswerkes gelegt. In deren Schulen wurden Persönlichkeiten ausgebildet, die später führende Kämpfer für die Unabhängigkeit ihrer Länder wurden. Gerade während der Apartheid gab es enge Beziehungen zwischen dem Berliner Missionswerk, der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und den Partnerkirchen in Südafrika.

Missionswerk will Fehler erkennen und Unrecht anerkennen

Unser moderner Missionsbegriff von der „missio Dei“ betont, dass der Glaube nicht von Menschen gemacht werden kann. Der eigentliche Missionar ist Gott der Heilige Geist. Das wussten zwar auch schon die Missionare der Berliner Mission. Doch glaubten sie, selbst die Konversion der Herzen bewirken zu können und zu müssen. Wir stehen zu unserer Verantwortung für die Geschichte und Gegenwart der Berliner Mission.

Christof Theilemann, Direktor des Berliner Missionswerkes 2024
Christof Theilemann, Direktor des Berliner Missionswerkes 2024Konstantin Börner

Insofern sind wir bereit, die Irrtümer und Fehler unserer Vorgänger gemeinsam mit den Menschen, deren Vorfahren damals als Objekte der Mission betrachtet wurden, zu erkennen, zu analysieren und Wege zu suchen, altes Unrecht zu benennen und neues Unrecht zu verhindern. Wir wollen gemeinsam an Gottes Seite stehen und uns für einen gerechten Frieden einsetzen. Aber wir vergessen auch nicht, den Missionaren und ihren Familien dafür Respekt zu zollen, dass sie gerade in der Anfangszeit der Mission ihr Leben einsetzten, um Gott zu dienen. Wir bewundern den Mut, mit dem sie sich von Kolonialisten und Siedlern abgrenzten. Viele Missionare, vor allem ihre Frauen und Kinder, gaben gerade in der Anfangszeit ihre Gesundheit, ja ihr Leben für ihre Aufgabe.

Projekte wie der Schulcampus Talitha Kumi in Beit Jala

Dort aber, wo sich später um 1900 besonders in Teilen Ostafrikas und im chinesischen Qingdao aus den Verflechtungen mit dem Kolonialismus bei unseren einstigen Missionaren und Missionarinnen Schuld und Versagen ergaben, bekennen wir das deutlich. Das hat die Berliner Mission im Blick auf den Maji-Maji-Krieg in Tansania wie auch im Blick auf ihr Handeln im Südlichen Afrika getan. Aber gerade unsere Partner und Partnerinnen im Ausland erinnern uns immer wieder daran, wie hoch sie die Berliner Mission schätzen. Auch weil stets zwei Tätigkeitsbereiche leitend waren: der Einsatz für Bildung und das vielfältige diakonische Handeln. Nicht zuletzt deshalb wurden die Missionsstationen – neben Kirche und Verwaltung – immer auch mit Schule und Krankenstation ausgestattet.

Diese Ausrichtung hat ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren. Stellvertretend seien der Schulcampus Talitha Kumi in Beit Jala (Palästina) und das Diakoniezentrum iThemba Labantu in einer Township Kapstadts (Südafrika) genannt. Wir glauben, dass dieses gemeinsame Tun Zukunft hat und dringend nötig ist. Wir wollen Zukunft gestalten, indem wir aus der Vergangenheit lernen und zugleich die christliche Hoffnung auf den liebenden und barmherzigen Gott bezeugen.

Ein lebendiges Beispiel dafür ist auch unser Ökumenisches Freiwilligenprogramm, wo junge Menschen in die Lerngemeinschaft eintauchen, die wir heute mit unseren Partnerkirchen leben, ob in Schweden oder Indien, in China oder Kuba oder auf dem afrikanischen Kontinent. Denn unsere Vision heißt Begegnung. Wir wollen Botschafter der Versöhnung sein. Das ist die Berliner Mission, wie wir sie heute verstehen.

Christof Theilemann ist Direktor des Berliner Missionswerkes und Beauftragter der EKBO für Ökumene, Mission und Weltmission. Hoffest „Berliner Mission 200“, am 14. September 14–20 Uhr, Georgenkirchstraße 69/70, in Berlin-Friedrichshain. Mehr Infos unter: www.berliner-missionswerk.de/ueber-uns/200-jahre-berliner-mission