Woche der Pressefreiheit: “Streit gehört dazu”
Obwohl auf Social Media Journalisten bepöbelt, Politiker als grundsätzlich korrupt beschimpft und der Klimawandel geleugnet wird, bleibt die Schriftstellerin Juli Zeh optimistisch: „Wir dürfen nicht immer nur auf die Spaltung der Gesellschaft starren, sondern müssen lernen damit umzugehen. Wir sollten ein positiveres Zukunftsbild aufbauen“, sagte die ehrenamtliche Verfassungsrichterin in einer Talk-Runde am Sonntag zum Auftakt der zweiten Hamburger Woche der Pressefreiheit.
Neben der Schriftstellerin diskutierte „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni mit der Politökonomin Maja Göpel, der freien Journalistin Johanna Weinhold sowie dem ehemaligen „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo über das Thema „Was hält uns noch zusammen?“ Die Runde wurde von NDR-Info live übertragen.
Verschiedene Meinungen zu haben, sei nicht das Problem, hieß es in der Diskussion. „Streit gehört dazu. Schwierig wird es, wenn Fakten und naturwissenschaftliche Erkenntnisse geleugnet werden“, sagte Göpel.
„Robustes streiten muss jede Gesellschaft aushalten, nicht aber Hass und Hetze“, sagte Mascolo. Die Justiz habe bei Beleidigungen im Netz „viel zu lange tatenlos zugesehen“. Im digitalen Raum sollten die gleichen Anstandsregeln gelten wie in der Realität, hieß es in der Runde. Aktuell trage die Anonymität zum respektlosen Umgang bei. „Das können wir uns nicht mehr leisten“, sagte Göpel. Internetplattformen müssten entsprechend reguliert werden.
Dabei merkte Mascolo selbstkritisch an, dass die Medien selbst mit der Auswahl der Gäste in Talk-Shows zum „Heißlaufen“ von Diskussionen beitragen würden. „Da sitzen die, die am lautesten brüllen. Das hilft uns nicht weiter“, sagte auch Göpel.
Einig waren sich die Teilnehmenden, dass in Einzelfällen kein Gespräch mehr möglich sei. „Fakten sind manchen Menschen einfach egal. Auch wenn im Dorf kein einziger Ausländer lebt, sind diese trotzdem das große Problem“, sagte Weinhold, die in einem sächsischen Dorf recherchierte.
Bei der Mehrheit der Gesellschaft müsse dagegen das Vertrauen in die Medien zurückgewonnen werden. Ein Ansatz sei die Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen. „Da wird viel diskutiert, aber zu wenig umgesetzt“, kritisierte Mascolo.
Als Ideen gegen die Medienkrise wurden mehr Transparenz im Journalismus und eine deutlichere Trennung von Fakten und Meinung vorgeschlagen. Zudem sollten relevante Faktenberichte mehr im Fokus stehen, hieß es. Nur weil die Klimakrise offenbar viele Menschen nicht mehr interessiere, müssten Medien trotzdem darüber berichten – schließlich „fackelt gerade unsere Hütte ab“, sagte Göpel.
Auch ein anderer, humorvollerer Umgang mit Fake-News sei möglich. Um sich von gefälschten Websites abzuheben, könnten „echte“ Medienwebsites möglicherweise besonders gekennzeichnet werden. „Wir sind nicht wehrlos“, betonte Mascolo.
Die Körber-Stiftung und die „Zeit“-Stiftung Bucerius haben die zweite Hamburger Woche der Pressefreiheit initiiert. Bis zum 18. Oktober beteiligten sich mehr als 30 Partner am Programm, wie diese zuvor mitteilten. Das komplette Programm ist unter www.pressefreiheit.hamburg zu finden.