1991 gestorbener Kardinal Hengsbach unter Missbrauchsverdacht
Einem der bekanntesten Kirchenmänner der deutschen Nachkriegsgeschichte wird Missbrauch vorgeworfen. Kardinal Franz Hengsbach (1910-1991) soll in den 1950er und 1960er Jahren sexuelle Übergriffe begangen haben.
Der bis heute populäre Gründerbischof des Bistums Essen hatte sich über drei Jahrzehnte vor allem als Anwalt der Bergleute im Ruhrgebiet profiliert. Das Bistum Essen machte die Anschuldigungen am Dienstag öffentlich und rief mögliche weitere Betroffene auf, sich zu melden.
Der jüngste Vorwurf wurde nach Angaben des Bistums im Oktober 2022 erhoben. Zwei weitere Anschuldigungen stammen bereits aus dem Jahr 2011. Zur Art der vorgeworfenen Übergriffe machte das Bistum keine Angaben und verwies zur Begründung auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.
Hengsbach ist der erste deutsche Kardinal, der unter Missbrauchsverdacht steht; Vorwürfe richten sich auch noch gegen zwei weitere, bereits verstorbene deutsche Bischöfe.
Der im vergangenen Herbst den unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums Essen gemeldete Vorwurf beziehe sich auf das Jahr 1967, so das Bistum. Weitere Nachforschungen in Hengsbachs Heimatbistum Paderborn hätten ergeben, dass er dort beschuldigt wurde, bereits 1954 in seiner Zeit als Weihbischof eine minderjährige Jugendliche sexuell missbraucht zu haben.
Das Erzbistum Paderborn teilte mit, dass diese Anschuldigung sich auch auf Hengsbachs Bruder Paul beziehe, der ebenfalls Priester war. Der dritte, auch im Jahr 2011 erhobene Vorwurf wurde laut Bistum Essen 2014 wieder zurückgezogen. Die Person habe mitgeteilt, dass die Schilderungen aufgrund verschwommener Erinnerungen falsch gewesen seien.
Hengsbach baute als erster Bischof das 1958 gegründete Bistum Essen auf, das aus Teilen der Diözesen Köln, Münster und Paderborn entstand. Er leitete es 33 Jahre lang bis 1991. Zuvor war er Weihbischof in Paderborn. Bei den zahlreichen Zechenschließungen machte sich der kirchenpolitisch konservative Kirchenmann zum Anwalt der Bergleute im Ruhrgebiet. In Gesprächen mit Managern und der Politik drängte er immer wieder auf soziale Ausgleichsmaßnahmen.