150 Haselnüsse für Aschenbrödel – Filmklassiker feiert 50 Jahre

Alle Welt, vor allem alle Tschechen, schauen zu Weihnachten „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Nur Hauptdarstellerin Libuse Safrankova ließ ihr Leben lang den Fernseher aus. Vor 50 Jahren hatte der Märchenfilm Premiere.

Das Jahresende ist bei den Tschechen fest verplant. Da sitzt ein ganzes Volk vor dem Fernseher und guckt Märchen. Es soll Tschechen geben, die meinen, Weihnachtsfeiertage seien ohne diesen Film zwar möglich, aber sinnlos: Das Märchen „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ aus der gemeinsamen Werkstatt der DEFA (Deutsche Film AG) und der tschechoslowakischen Filmstudios in Prag-Barrandov ist vielen sogar wichtiger als Weihnachtskarpfen und Kartoffelsalat. Auch in Deutschland, der Slowakei, Österreich, der Schweiz und in Norwegen gehören die „Drei Haselnüsse“ jedes Jahr zum Fest. Vor 50 Jahren, am 1. November 1973, hatten sie Premiere.

Die „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, basierend auf einer frechen Bearbeitung des Grimmschen Märchens „Aschenputtel“ durch die Schriftstellerin Bozena Nemcova (1820-1862), ist für immer auch mit der damals zarte 20 Jahre jungen Hauptdarstellerin Libuse Safrankova (1953-2021) verbunden. Gedreht wurde unter anderem in Schloss Moritzburg bei Dresden; mit Pavel Travnicek (heute 73) als Prinz und Rolf Hoppe (1930-2018) als König.

Regisseur Vaclav Vorlicek (1930-2019) ließ Aschenbrödel und ihren Prinzen durch sanfte, verschneite Landschaften reiten. Erfrischend keck und witzig geht es zu; und die Heldin ist keineswegs ein Piepken Doof vom Lande, das erst durch den Prinzen quasi emporgehoben wird. Sie tritt selbstständig auf und wird schon auch selbst mit der bösen und ungerechten Stiefmutter fertig; naja, immerhin mit der Hilfe dreier Zaubernüsse…

Die geliebten tschechoslowakischen Märchenfilme der 70er und 80er Jahre wurden von exzellenten Leuten gedreht, die zuvor auch großartige „richtige“ Filme verantwortet hatten. Filme, wie sie nach dem abrupten Ende des politischen Prager Frühlings 1968 nicht mehr gemacht werden durften: Sie wären von vornherein an der Zensur gescheitert. So wichen die Künstler in die Märchenwelt aus.

Die 60er Jahre waren die kreativsten in Barrandov gewesen. Eine ganze Generation von Senkrechtstarter-Filmemachern – Vera Chytilova, Milos Forman, Karel Kachyna, Jan Nemec, Ivan Passer oder Jiri Menzel – räumte mit ihren Filmen der „Neuen Welle“ bei den großen Festivals Goldene Palmen und Oscars ab. Mit „sozialistischem Realismus“ hatten sie nichts zu tun.

Doch der bis dahin hinter dem Eisernen Vorhang unbekannten Freiheit der Filmkunst wurde bald schon ein Riegel vorgeschoben. Daran beteiligt waren auch die orthodoxen Kulturwächter aus der Ulbricht-DDR, wo man die ideologische Sprengkraft aus dem „befreundeten Nachbarland“ fürchtete. „Der Zynismus feiert Orgien“, schrieb 1968 die „Nationalzeitung“, zentrales Blatt einer DDR-Blockpartei, über die „gefährlichen Filme“ aus der CSSR.

Nach 1969 war damit Schluss. Die Regisseure wurden in der sogenannten Normalisierung mundtot gemacht; einige gingen ins Exil. Andere sattelten um ins „unverfängliche“ Märchengenre. Ihnen verdanken die Tschechen auch heute noch ihre Post-Wende-Weihnachtsunterhaltung.

Aschenbrödel war der Auftakt für viele andere Märchenfilme, in denen die aus der Nähe von Brünn stammende Libuse Safrankova zu sehen war; darunter „Die kleine Meerjungfrau“ (1976) und „Prinz und Abendstern“ (1978). Auch andere Klassiker haben bis heute hohe Einschaltquoten: „Die Prinzessin mit dem goldenen Stern“ (1959), „Wie man einem Wal den Backenzahn zieht“ (1977), „Wie man den Vater in die Besserungsanstalt bekommt“ (1978) und „Wie soll man Dr. Mracek ertränken oder Das Ende der Wassermänner in Böhmen“ (1974).

2021 schließlich trauerten die Tschechen um ihr „Aschenbrödel“. Safrankova starb mit nur 68 Jahren. Über ihren größten Erfolg hatte die Künstlerin nicht groß sprechen wollen – was auch mit ihrem generell zurückhaltenden Wesen zu tun hatte. Einmal verriet sie aber, dass sie den Film zu Weihnachten noch nie gesehen habe. Das liege an den Traditionen ihres katholischen Elternhauses. An diesem Fest bleibe in der Familie das Fernsehen prinzipiell aus.