1.000 Stunden sind nicht genug

Für einen frühen Ruhestand hat Beamtin Beate Albers ein Ehrenamt übernommen. Das Soll von 1.000 Stunden hat sie jetzt erfüllt – und macht trotzdem weiter.

Beate Albers steht in der Paul-Gerhardt-Kirche in Lüneburg. Dort hat sie für ihre Ruhestandsregelung 1.000 Stunden Ehrenamt geleistet.
Beate Albers steht in der Paul-Gerhardt-Kirche in Lüneburg. Dort hat sie für ihre Ruhestandsregelung 1.000 Stunden Ehrenamt geleistet.epd-bild/Carolin George

Lüneburg. Beate Albers war noch keine 60 Jahre alt, da machte ihr Arbeitgeber ihr ein Angebot: Wenn sie sich zukünftig ehrenamtlich engagiert, anstatt zum Dienst zu kommen, kann sie schon jetzt in den Ruhestand gehen. Beate Albers überlegte nicht lange. Anderthalb Jahre ist ihr erster Tag als Ehrenamtliche im Paul-Gerhardt-Haus in Lüneburg nun her, ihr Soll hat sie mittlerweile erfüllt. Doch für die Beamtin in Pension ist das kein Grund, ihre neue Aufgabe nun niederzulegen.

„Engagierter Ruhestand“ heißt das Programm, das Beate Albers den Ruhestand mit 58 möglich machte. Es gilt für Beamtinnen und Beamte aus den Nachfolgeunternehmen der einstigen Deutschen Bundespost. Wer sein 55. Lebensjahr beendet hat, kann in Pension gehen. Voraussetzung: 1.000 Stunden Ehrenamt oder ein Jahr Bundesfreiwilligendienst, die Pflege von Angehörigen oder Betreuung von Kindern.

„Ich fühlte mich sofort wohl“

Beate Albers wollte irgendetwas mit Kindern machen, lernte bei einem Infotag für Ehrenamtliche das Paul-Gerhardt-Haus kennen. „Ich fühlte mich sofort wohl“, erinnert sich die Beamtin. Und nach einem Schnuppertag stand für alle Seiten fest: Das passt. Beate Albers unterstützte das Team fortan bei allem, was das Paul-Gerhardt-Haus bietet: von der Hausaufgabenhilfe bis zum Mittagessen mit Kindern der „Kindertafel“ über Gespräche mit Migranten, vom Hochbeet-Bauen übers offene Frühstück bis hin zum neuen wöchentlichen Café für den ganzen Stadtteil, zu dem regelmäßig an die 50 Menschen von jung bis alt kommen.

Dass die Verwaltungswirtin nicht wie für Ehrenamtliche üblich jede Woche ein paar Stunden kommt, sondern mehrere Tage: Das war für die Kirchengemeinde „ein Riesenglück und großes Geschenk“, sagt Diakonin Antje Stoffregen. Doch auch Beate Albers selbst hat ihre 1.000 Pflichtstunden Ehrenamt so gern abgeleistet, dass sie gar nicht auf die Idee kommt, ihr Engagement nun zu beenden. „Natürlich mache ich weiter“, sagt sie strahlend. „Die Arbeit hier bereichert mich, ich fühle mich super aufgehoben. Es macht Spaß und Freude, auch für mich ist mein Ehrenamt ein Geschenk.“

Soziales Engagement als Gesellschaftsaufgabe etablieren

Für die Darmstädter Professorin Gisela Jakob bedeutet ein solches Engagement, besonders im Alter, eine Sinnstiftung für das Leben. „Die Menschen erleben, dass sie etwas bewirken können. Sie tun etwas Gutes und leisten gesellschaftlich wichtige Beiträge. Gleichzeitig ist das Engagement nicht selbstlos, denn es hat immer auch eine Bedeutung für die Engagierten selbst.“

Wie zufriedenstellend ein Ehrenamt oder anderes Engagement sein kann, hänge dabei stark von den politischen und strukturellen Rahmenbedingungen ab, sagt Jakob, die seit Jahren zu bürgerschaftlichem Engagement und Freiwilligendiensten forscht. „Es geht darum, wie selbstwirksam jemand arbeiten kann. Es geht auch darum, wie gut die Koordination und Begleitung durch die Organisation läuft und ob es eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung gibt.“ Eben dafür gelte es, Sorge zu tragen.

Und so ist Beate Albers ein Vorbild dafür, was der Philosoph und Autor Richard David Precht fordert: ein verpflichtendes soziales Engagement für junge Leute nach der Schule und für Ältere im Ruhestand.