Artikel teilen:

Glockenspiel im Kieler Kloster: Gunther Strothmann bringt seit 26 Jahren Musik vom Turm in die Stadt

Hoch oben im Turm des Kieler Klosters spielt Gunther Strothmann Carillon. Seit 1999 organisiert er Konzerte, bildet Nachwuchs aus und bringt mit 50 Bronzeglocken Friedensklänge über die Altstadt.

Die Spielstube im Turm des alten Klosters ähnelt einem Museum –  und einem Zuhause für Musikliebhaber. Gunther Strothmann am Spieltisch des Kieler Carillons
Die Spielstube im Turm des alten Klosters ähnelt einem Museum – und einem Zuhause für Musikliebhaber. Gunther Strothmann am Spieltisch des Kieler CarillonsCatharina Volkert

In aller Ruhe nimmt Gunther Strothmann eine Stufe nach der anderen, wie fast jeden Tag im Sommer, der Zeit der Konzerte. „Dies ist das einzige Carillon in Schleswig-Holstein, das dauerhaft gespielt wird“, sagt er. Etwa 570 Konzerte waren es bisher, mindestens an jedem ersten Sonnabend eines Monats gibt es eins. Die einen hören dann im Klostergarten bewusst zu. Die anderen werden unterwegs von den hüpfenden Tönen aus dem Turm überrascht, denn die Melodien erklingen über Kiels gesamte Altstadt. Kostenlos ist die Musik in beiden Fällen. Zudem erklingt täglich um 12, 15 und 18 Uhr ein automatisches Spiel.

76 Stufen sind es, bis Strothmann den Spielraum erreicht. Oben im Turm des Kieler Klosters steht seit 1999 ein Carillon. Und seit 26 Jahren ist der heute 81-Jährige Carilloneur. Sport mache er seitdem nicht nur durch das Treppensteigen. „Üben kostet Kraft“, schildert er. Wenn er heute ein einstündiges Konzert gebe, sei er anschließend erschöpft, sagt er im Gespräch auf der schmalen Holzbank am Instrument.

„Glocken sind Zeichen des Friedens“

Eine Melodie erklinge immer, wenn die Bronzeglocken zum Konzert anstimmen: Martin Luthers Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“. „Glocken sind Zeichen des Friedens“, sagt Gunther Strothmann. Eine Kopie des Satzes aus dem Evangelischen Gesangbuch ist mit Tesafilm am Notenbrett des Carillons befestigt – denn auch internationale Künstlerinnen und Künstler beginnen und beenden ihre Konzerte damit.

„Außerdem müssen sie mindestens ein geistliches Lied mitbringen“, erklärt Strothmann die Vorgaben zum „Glockensommer“, den das Carillon-Team seit 2001 organisiert. „Wir laden jedes Jahr renommierte Künstler dazu ein“, erzählt er. Am 20. August spiele um 18 Uhr Joseph Min aus New York im Turm. Am 6. September lasse Tiyl Stynen aus Belgien um 11 Uhr die Glocken klingen.

Üben, ohne dass die Stadt zuhört

Hinter dem dicken Backsteingemäuer des Kieler Turms gibt es nicht nur ein Carillon, sondern gleich zwei. Ein Übe-Carillon steht eine Etage unter dem, das draußen erschallt, eine echte Besonderheit. „So etwas gibt es nicht einmal in Hamburg“, sagt Strothmann. Aber wie sollte man sonst lernen, ohne dass die Stadt zuhört?

Neben dem 81-Jährigen spielen noch weitere fünf Norddeutsche regelmäßig im Klosterturm. „Uns ist auch die Ausbildung wichtig“, sagt er. Darum gibt es hier seit einigen Jahren eine gute Internetverbindung und eine Kamera am Übetisch. „Einige bekommen auf diese Weise Unterricht aus Mechelen in Belgien“, erzählt Strothmann. Ort und Instrument stellten sie gerne zur Verfügung – schließlich geben alle, die hier spielen, auch Konzerte.

Das einstige Franziskanerkloster entstand 1227, das Carillon ertönt erst seit 1999, auf Initiative aus dem benachbarten Landeskirchenamt der damaligen Nordelbischen Kirche. „Ach, der Turm ist ja leer“ habe es in einer Mittagspause geheißen, weiß Strothmann. Und da entstand der Plan, hier ein Glockenspiel zu installieren. „Ohne zu wissen, wie man das zahlt.“

50 Glocken vier Oktaven

Am Ende zahlten es viele gemeinsam, durch Spenden. 300.000 DM kosteten damals die Bronzeglocken, die in Karlsruhe gegossen wurden. Zunächst waren es 45, 2005 kamen fünf weitere dazu, um mit 50 Glocken vier Oktaven abzudecken. 4.089 Kilogramm wiegt das gesamte Glockenspiel. Die Glocken wiegen zwischen 620 und 5 Kilogramm.

„Es gab nur damals keinen, der spielen konnte“, sagt Strothmann trocken. Als der Mediziner, bekannt durch seine Leitung des Sinfonieorchesters Meldorf angesprochen wurde, dachte er: „Das kann man ja lernen.“ Und so war es. „Ich habe anfangs noch einfache Lieder gespielt. Mit der Zeit wurden sie aber immer komplizierter.“

Im Anschluss an die Konzerte werden häufig Führungen angeboten. Termine unter www.kielerkloster.de