Junge Leute in Sneakern, Jeans, T-Shirts und lockeren Hoodies, das Handy in der Hosentasche, strömen auf die Tanzfläche: Es ist Freitag, 17 Uhr im hessischen Hofheim am Taunus, und der Saal der Tanzschule Taeschner füllt sich mit Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren. Insgesamt 40 Tanzpaare – gemischte Paare und einige Mädchenpaare – sind zum klassischen Anfängertanzkurs gekommen.
Neben Hip-Hop, Jumpstyle oder Videoclip-Dancing seien Gesellschaftstänze nach dem Welttanzprogramm bei den Jugendlichen nach wie vor gefragt, sagt Tanzschul-Mitinhaberin Simone Taeschner: Discofox, Langsamer Walzer, Wiener Walzer, Rumba, Jive. Auch die Française, ein alter französischer Reihentanz, komme gut an.
Eine YouGov-Umfrage vom April 2025 ergab: 37 Prozent der 11.691 in Deutschland befragten Frauen und Männer im Alter von 18 bis 55 Jahren hat in der Jugend einen Kurs in einer Tanzschule absolviert. Und der hat offenbar auch heute nicht ausgedient.
An der Spiegelfront im vollen Tanzsaal in Hofheim haben die Tanzschüler Helen (14) und Levin (18) inzwischen eine Lücke gefunden, dicht neben Feride und Jan, beide 14 Jahre und bereits in Tanzhaltung. „Ich möchte für den Abiball schon Schritte wissen und bin mit Freunden hierhergekommen“, erzählt Helen.
Und Feride ergänzt: „Ich finde es generell wichtig, Grundtänze zu kennen, bei uns in der Schule ist es üblich einen, Tanzkurs zu machen.“ Neuntklässler Jan meint, dass ein Tanzkurs eine prima Vorbereitung sei, wenn man etwa mal zu einer Hochzeit eingeladen sei. Neunmal treffen sich die Jugendlichen zum Kurs, bis zum Abschlussball.
Die Motivation von Jugendlichen, sich für einen klassischen Tanzkurs anzumelden, speise sich aus einem durchaus traditionellen Wunsch, in die Gesellschaft hineinzuwachsen, erklärt Heidi Schumacher. Sie ist Beauftragte für Presse und Kultur beim Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) in Darmstadt.
Schumacher sieht aber auch, dass der Ganztagsunterricht an vielen Schulen zu weniger Nachfrage in den Tanzkursen führt, die Jugendlichen auch nicht mehr klassenweise kommen. Eine Statistik über Teilnehmerzahlen in Kursen habe man keine, aber man wisse von einem Nord-Süd-Gefälle. Schumacher: „Im Süden ist die Nachfrage höher als im Norden.“
In Hofheim geht der Tanzunterricht jetzt gleich los, die Stimmung ist fröhlich-locker, auch konzentriert-erwartungsvoll, tänzerisch soll heute noch einiges hinzukommen. Nach kurzer Begrüßung von Tanzlehrerin Simone Taeschner geht es direkt los: „Eins, zwei, drei, Cha-Cha-Cha.“ Ein Tanz aus der ersten Stunde, den Taeschner und ihr Tanzpartner Felix mit weiteren Schritten ausbauen. „Vor, seit, Schluss und rück, seit, Schluss“, zeigt sie an und dann: „Jetzt das Ganze mit Musik.“ Ein Hit aus den Charts.
Vor 36 Jahren haben Simone und ihr Ehemann Reiner die Tanzschule gegründet. „Jetzt kommen die Kinder der Eltern, die schon bei uns waren“, sagt Reiner Taeschner. „Die September- und Januar-Saison läuft immer“, ergänzt seine Frau. „Den Sommer bekommen wir mit Anfängerkursen nicht mehr hin, da gibt es zu viele Gegenangebote. Auch ist man früher geschlossen mit der Konfirmation zur Tanzschule gegangen.“ Das sei heute nicht mehr so.
Die Zahl von Mädchen und Jungs ist im Freitagskurs recht ausgeglichen, in anderen Kursen fehlten Jungs. „Wie früher schon“, sagt Simone Taeschner. „Aber generell tanzen heute auch Mädchen mit Mädchen, sie gehen auch zusammen zum Abschlussball, wenn sie das wollen, das ist ein schöner Trend.“
Unterdessen wird im Saal Langsamer Walzer getanzt. Der eine oder andere noch unsichere Blick richtet sich gen Füße. Tanzlehrerin Simone erinnert: „Kopf hoch, nicht mit Hängebirne tanzen“. Schmunzeln huscht über die Gesichter. Der klassische Paartanz, so scheint es, macht den Jugendlichen Spaß. Aber natürlich sei auch der Individualtanz populär, sagt Taeschner. Beliebt seien Breakdance oder Urban Dance, erklärt ADTV-Sprecherin Heidi Schumacher.
Wie man den Spagat schafft, Althergebrachtes, das zum Tanzen nun einmal gehört, auf jugendgemäße Art zu vermitteln, beschreibt Simone Taeschner so: „Man muss im Kurs Leichtigkeit reinbringen, dabei als Lehrer authentisch sein, ohne den jungen Leuten das Gefühl zu vermitteln, belehrt zu werden.“ Sie achtet in der Tanzstunden auch ein wenig auf Benimm – Taeschner ist ausgebildete Knigge-Trainerin: etwa, dass man sich anschaut, wenn man miteinander spricht, und auch das Handy beim Kurs in der Hose lässt.
„Man wird hier zum Tanzen so motiviert, es ist toll, dabei war ich anfangs ja skeptisch“, sagt Tanzschüler Levin. Helen, Feride und Jan mögen auch die Tanzschul-Disco-Partys. Zwischen 60 und 90 Prozent der Tanzschüler belegen laut Heidi Schumacher nach einem Anfängerkurs einen weiteren Kurs. Die Vier sind sich da noch unsicher. Im Unterricht geht es nun weiter, als Nächstes sollen sie einen schnellen Jive aufs Parkett legen: „Wir gehen in Tanzhaltung“, ruft Simone Taeschner, „und Jungs, schaut, dass ihr Platz habt“.