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Zurückblicken, um nach vorne zu schauen

Unter dem Dach der Kirchengemeinde Grüneberg arbeiten Jugendliche die Geschichte des örtlichen Frauenlagers auf, das zum Konzentrationslager Ravensbrück gehörte.

Von Uli Schulte Döinghaus

Im sogenannten Außenlager Grüneberg mussten zwischen 1943 und 1945 bis zu 1800 Frauen aus dem nahegelegenen Konzentrationslager Ravensbrück Sklavenarbeit in der Munitionsfabrik verrichten. Wer zu schwach zum Arbeiten war, wurde zurück nach Ravensbrück transportiert und kam dort ums Leben. Auch in Grünberg waren Prügelexzesse oder Übergriffe bis hin zur Ermordung an der Tagesordnung. 

Die versklavten Frauen kamen zumeist aus Osteuropa. Unweit der Grüneberger Munitionsfabrik waren sie in einem Barackenlager zusammen­gepfercht, auf dessen Fundamenten heute vereinzelt Einfamilienhäuser stehen. Eine Tafel zwischen zwei originalen Betonpfosten ist zur Erinnerung an Sklaverei und Zwangsarbeit angebracht, auf der unter anderem Inhaftierte von damals zu Wort kommen. 

Erarbeitet wurde die Tafel durch die Aktion „Grüneberg erinnert“. Im „Arbeitskreis zur Erarbeitung des ehemaligen Ravensbrücker KZ-Außenlagers“ engagieren sich vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Sie arbeiten freiwillig und ehrenamtlich die jüngere Geschichte ihres Heimatortes auf. Dazu interviewten sie Zeitzeuginnen in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, sprachen mit alteingesessenen Grünebergerinnen und Grünebergern über deren Erinnerungen, machten Ton- und Videoaufnahmen. Sie forschten in Archiven und sahen Häftlingslisten ein. „Das Ergebnis ist auf einer Festplatte digital dokumentiert und noch nicht ganz vollständig“, sagt Julius Röper, einer der jugendlichen Heimatchronisten. Es soll demnächst dem Archiv des Konzentrationslagers Ravensbrück zur Verfügung gestellt werden und weiteren Forschungs- und Dokumentationsarbeiten zugutekommen. 

Regelmäßig kommen die Jugendlichen in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde zusammen, die ihnen eine Art organisatorisches Dach bietet. Den „harten Kern“ des Arbeitskreises bilden zurzeit Anne Pohlandt, Julius und Dennis Röper sowie Tony Sieg, alle zwischen 16 und 23 Jahren alt. Unterstützt werden sie dabei durch Ruth-Barbara Schlenker, Pfarrerin der Kirchen­gemeinde Grüneberg. Sie weist auf einen sehr praktischen Umstand der Verbindung hin: „Die evangelische Kirchengemeinde ist die Finanzadresse der Aktion. Sie hat bei uns ihre Kontoverbindung, hier werden Spenden und öffentliche Zuwendungen für die Arbeit der Jugendlichen verwaltet.“ Auch ehrenamtliche Erinnerungsarbeit kostet Geld. 

Recherche, öffentliche Vortragstätigkeit, Internetpräsenz und die praktische Arbeit an der Gedenkstätte haben die Schülerinnen, Schüler und Studierenden aus Grüneberg vor drei Jahren übernommen, um auch im Ort die Erinnerung wachzuhalten. „Erinnerungsarbeit ist ein zutiefst christliches, biblisches Handeln“, sagt die Pfarrerin. „Wir erinnern an die Vergangenheit, um in der Gegenwart zu leben.“ Sie sieht in der Freiwilligenarbeit der Jugend­lichen ein beachtliches Engagement für Kirchengemeinde und Heima­t­bewusstsein im Ort. 

Längst ist das Wirken des Arbeitskreises auch über Grüneberg hinaus anerkannt. Nach den Reisen nach Slowenien wurde er mehrfach ausgezeichnet und von Fachleuten gelobt. Als „ganz besondere Auszeichnung“ empfindet Tony Sieg, dass am 19. April Grüneberger Jugendliche in Ravensbrück das interreligiöse Gedenken gestalten werden, zum 75. Jahrestag der Befreiung des Frauenkonzentrationslagers.

Kontoverbindung: Ev. Kirchenkreisverband EberswaldeIBAN: DE86160500003751002684Kennwort: KZ-Außenlager Grüneberg

Informationsveranstaltung zur „Aktion Grüneberg erinnert“ am Montag, 27. Januar, 18 Uhr, Dorfgemeinschaftshaus, Grüneberg.