Zum Tag der Geschwister – Fünf Kinder reden über die Großfamilie
Am 10. April ist Tag der Geschwister. Anlass für ein Gespräch mit Kindern aus einer Großfamilie. Was sind die Vor- und Nachteile, wenn man zu fünft aufwächst?
Sie sind eine absolute Rarität: Kinder wie Rebekka (16), Levi (14), Judith (12), Mathea (9) und Raphaela (3) Leicht gibt es hierzulande nur sehr selten. In der Bundesrepublik wachsen dem Verband kinderreicher Familien Deutschland zufolge bloß 0,7 Prozent aller Jungen und Mädchen in Haushalten mit mindestens fünf Kindern auf. Wie es ist, ständig jemanden um sich zu haben, erzählt das Quintett aus Magnetsried in Oberbayern zum Tag der Geschwister am 10. April. Die fünf berichten im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) außerdem von gegenseitigen Prägungen und Vorurteilen Dritter.
KNA: Welche Vorteile hat es, mehrere Geschwister zu haben?
Raphaela: Einer kann immer mit mir spielen. Und mit meinen Puppen.
Mathea: Ich finde schneller Freunde, weil ich durch meine Geschwister geübt darin bin, wie man mit anderen Leuten umgeht.
Judith: Meine beiden älteren Geschwister waren schon vor mir auf dem Gymnasium und haben mir da alles gezeigt.
Rebekka: Man kann auch mal was allein machen oder nur mit einem Geschwisterkind, ohne dass man den anderen oder den Eltern gegenüber ein schlechtes Gewissen haben muss. Denn für sie sind ja immer noch genug andere Leute zum Beschäftigen da.
Levi: Man lernt schon mal für später, zum Beispiel für andere zu kochen. Das mach ich manchmal für meine Geschwister. Man langweilt sich auch zu Hause nie. Man fühlt sich nie allein.
KNA: Welche Nachteile hat das Leben in der Großfamilie?
Levi: Wie gesagt: Man fühlt sich nie allein. (Grinst) Was auch nervt: Wir wohnen sehr ländlich. Zum Sport oder zu Freunden kann ich deshalb nicht einfach laufen. Aber meine Eltern können mich auch nicht immer bringen, weil mein Vater arbeitet und meine Mutter auf meine kleinen Schwestern aufpassen muss. Dann muss ich schauen, ob ein Bus fährt, oder das Rad nehmen. Freunde von mir ohne Großfamilie haben’s da leichter.
Mathea: Wenn man seine Ruhe haben will, hat man die meistens nicht so lange, weil immer wer reinplatzt, vor allem Raphaela.
Raphaela: Dass die anderen mich manchmal schimpfen.
Judith: Bei so vielen Personen streitet man sich öfter. Man muss immer verschiedene Meinungen unter einen Hut bringen.
Levi: Wenn’s um Ausflüge geht zum Beispiel. Die einen wollen wandern, die anderen zum See.
KNA: Und dann?
Levi: Entscheiden die Eltern.
KNA: Was glaubt ihr, wie euch eure Geschwister prägen?
Levi: Sehr, gerade mich als einzigen Jungen. Wahrscheinlich ist es für mich in Beziehungen später einfacher, weil ich mich schon auskenne im Umgang mit Mädchen – „Frauenversteher“ könnte man sagen. (Allgemeines Gelächter) Außerdem kann ich gut mit kleinen Kindern umgehen.
Judith: Ich hab wie Levi Latein als erste Fremdsprache am Gymnasium gewählt, weil er mir viel dazu erklärt hat.
Rebekka: Ich glaube, ich präge als Älteste eher die anderen …
Levi: Die Rebekka wird schon auch durch ihre Geschwister geprägt, die will nämlich vielleicht Grundschullehrerin werden.
Rebekka: Du kannst doch jetzt nicht einfach für mich antworten! (Schaut ihren Bruder empört an) Aber ja, es stimmt wohl, dass ich es dank meiner Geschwister mag, mit Menschen zu arbeiten.
Mathea: Ich präg die Raphaela, weil ich mit ihr radel, singe und tanze.
KNA: Rebekka, wie ist das Leben als größtes der Geschwisterkinder?
Levi: Das größte bin ich!
Rebekka: Na ja, ich bin immer noch die Älteste! Es ist schon herausfordernd, immer die Erste zu sein, die den nächsten Schritt machen muss. Jetzt gerade hab ich zum Beispiel mit der Fahrschule angefangen und muss allein schauen, wie das läuft. Mir geht keiner voraus. Aber die anderen folgen mir nach. Da spür ich schon eine Verantwortung, Vorbild zu sein. Außerdem muss ich am meisten auf die anderen aufpassen, wenn unsere Eltern außer Haus sind. Aber es macht mir auch Spaß, die Mutterrolle zu übernehmen.
KNA: Haben deine Eltern dich genauso erzogen wie sie heute deine kleinen Geschwister erziehen?
Rebekka: Da gibt’s schon Unterschiede. Meine Schwestern dürfen länger aufbleiben als ich früher. Und die essen auch mehr Süßigkeiten als ich es damals durfte.
KNA: Raphaela, wie ist es, die Jüngste zu sein?
Raphaela: Hm. (Zuckt die Schultern)
KNA: Dann noch mal zu dir als einzigem Jungen, Levi.
Levi: Ich hab mir früher immer einen Bruder gewünscht. Als Mathea kam, die dritte Schwester, hab ich mich echt geärgert. Ich hätte gerne wen zum Fußballspielen gehabt. Als einziger Junge fühlt man sich außerdem manchmal etwas ausgegrenzt. Wenn man ausgelacht wird, weil man nach dem Sport stark nach Schweiß stinkt, oder wegen der „komischen“ Stimme im Stimmbruch.
KNA: Judith, wie lebt es sich als Sandwichkind?
Judith: Gut! Mit den Kleinen mache ich eher kindliche Sachen – Toben, Haareflechten. Mit den Großen eher jugendliche Dinge. Mit denen gucke ich beispielsweise Filme etwas später am Abend.
KNA: Wie reagieren Fremde auf euch als Großfamilie?
Rebekka: Mir ist es schon etwas unangenehm, mit Mama und allen Geschwistern durch die Fußgängerzone zu gehen. Die „coolen“ Jugendlichen, die da abhängen, die schauen dann komisch.
Levi: Ich nehme bei anderen öfter eine abwertende Haltung wahr. Ich glaube, weil viele das Vorurteil haben: Ah, die müssen ärmer sein. Kinder kosten ja Geld, außerdem können die Eltern nicht beide voll arbeiten. Für Klassenfahrten kann man ja Zuschüsse beantragen. Wenn man das als Einziger macht, fühlt man sich doch etwas abgesondert.
KNA: Wo seht ihr euch in 20 Jahren – gerade auch im Blick auf euer Geschwisterverhältnis?
Judith: Ich wünsche mir, dass wir nicht weit auseinander wohnen und unsere Kinder immer miteinander spielen können.
Mathea: Ich hoffe, dass wir uns alle regelmäßig sehen.
Levi: Ja, schon. Aber ich fänd’s auch nicht schlimm, ein bisschen mehr Abstand zu haben, um den eigenen Weg zu gehen.
Rebekka: Mir ist wichtig, dass wir unsere enge Beziehung von heute weiter pflegen. Und dass wir trotzdem die Welt entdecken können. Ich find’s toll, dass besonders unsere Mutter uns dazu auch ermuntert; sie hat selbst früher in Spanien und Irland gelebt.
KNA: Raphaela, was wünscht du dir in Sachen Geschwister-Zukunft?
Raphaela: Dass alle mir immer vorlesen!