Zum Fastenbrechen bei einer Ahmadiyya-Familie

„Wir fasten wie alle anderen Muslime und glauben an denselben Koran“, sagt Arslan Basit. Trotzdem werden Ahmadis wie er und seine Familie in islamischen Ländern oft diskriminiert. Ein Besuch zum Ende des Ramadan.

Den langen Tag merkt man Arslan Basit nicht an. Der 37-jährige Kölner wirkt quirlig und gutgelaunt an diesem Ramadan-Abend. Dabei hat er seit der Morgendämmerung fast 14 Stunden nichts getrunken und gegessen. „Der Körper hält viel aus, auch im Ramadan fahre ich an manchen Tagen noch 30 Kilometer“, sagt der Hobby-Radrennsportler.

Jetzt naht das Iftar-Mahl, das abendliche Fastenbrechen nach Sonnenuntergang mit der Familie. Ein Duft von Fleischspießen, Koriander und Couscous liegt in der Luft. Arslan Basit, der aus Pakistan stammt, trägt zu dem Anlass das traditionelle knielange Qamis, über dem Hemd eine reich bestickte Weste. Ehefrau Mariam, die sechsjährige Tochter Maham und ihre Schwester Maira, zehn Jahre alt, sind mit dabei.

Die Familie gehört zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya. Die islamische Reformbewegung entstand Ende des 19. Jahrhunderts im damaligen Britisch-Indien. Ihr Begründer Mirza Ghulam Ahmad aus der Stadt Qadian sah sich als Erneuerer der koranischen Lehre und als weiteren Propheten nach Mohammed, seine Anhänger verehren ihn als den verheißenen Messias und Mahdi – für die Mehrheit der Muslime pure Blasphemie. 1974 schloss die Islamische Weltliga die Ahmadiyya offiziell aus der Gemeinschaft der Muslime aus. Die Pilgerfahrt nach Mekka ist ihnen damit zum Beispiel verwehrt.

Ahmadis propagieren einen friedvollen, dialogbereiten, wenn auch sehr wertkonservativen Islam. Die Todesstrafe für Menschen, die sich vom Islam abwenden, lehnen sie genauso ab wie den Dschihad, die Verbreitung der Religion mit Gewalt. „Liebe für alle, Hass für keinen“, lautet das Motto. Weltweit leben bis zu 20 Millionen Ahmadis und nach eigenen Angaben etwa 55.000 davon in Deutschland. In Hessen und Hamburg ist die Ahmadiyya Muslim Jamaat als religiöse Körperschaft anerkannt. Sie gelten als besonders bildungsorientiert und gehören oft der wohlhabenden Mittelschicht an.

„Wir fasten im Ramadan wie alle anderen Muslime, wir beten fünfmal am Tag, wir glauben an denselben Koran“, sagt Arslan und zeigt auf das Heilige Buch, das vor ihm auf dem Tisch liegt. „Trotzdem bezeichnen uns viele Sunniten als Ketzer, wir werden oft härter diskriminiert als Christen.“ Besonders in Pakistan sei die Lage schlimm. Dort haben die Ahmadis zwar eigene Moscheen, doch immer wieder erleben sie Gewalt durch fundamentalistische Fanatiker.

Wie im Mai 2010, als bei Anschlägen in Lahore 86 Ahmadis starben. Im Jahr darauf ging Arslan zum Studium nach Schweden und dann nach Deutschland, wo seine Frau Mariam aufgewachsen ist und die Töchter geboren wurden. Inzwischen arbeitet er als IT-Spezialist, vor wenigen Monaten hat die Familie ihr Haus im Kölner Norden gekauft.

Hier geht die Sonne heute laut Fastenplan um 18.57 Uhr unter – das Mahl ist serviert, die Familie versammelt. Der Vater spricht das traditionelle Gebet: „Oh Allah! Für Dich allein habe ich gefastet und ich breche mein Fasten mit Deinen Gaben.“ Dann beginnt das Iftar mit einer Dattel und einem Schluck Wasser, wie es auch vom Propheten Mohammed überliefert ist. Die beiden Mädchen fasten noch nicht, die Pflicht gilt erst für Jugendliche. Trotzdem sei der Ramadan auch für sie eine feierliche Zeit, sagt Maira. Allein schon, weil das Abendessen dann stets so üppig ausfällt.

„Die Zutaten kaufe ich in einem pakistanischen Supermarkt. Mit anderen Muslimen gibt es hier in Köln für Ahmadis gar keine Probleme“, bringt ihre Mutter Mariam das Gespräch auf Deutschland. Auch Fremdenfeindlichkeit von rechts habe sie als Kopftuch tragende Frau noch nicht erlebt, berichtet die 37-Jährige, die in einem Notarbüro arbeitet. Für ihren Mann Arslan könnte auch nichts widersinniger sein. „Deutschland ist unsere Heimat, wir sind hier nicht fremd. Für Ahmadi-Muslime ist die Loyalität zu dem Land, in dem sie leben, eine absolute Pflicht und Teil des Glaubens.“

Trotzdem überrascht es den Gast, dass an der Wohnzimmerwand, gleich gegenüber dem Ehrenporträt von Mirza Ghulam Ahmad, ein großes Bild des Kölner Doms hängt – in mehrheitsmuslimischen Familien, gleich ob orthodoxe Sunniten oder Schiiten, wäre das kaum denkbar. Für die Basits dagegen ist eine christliche Kathedrale als Wandschmuck kein Stein des Anstoßes – im Gegenteil: Sie finden es schade, dass Kirche und Spiritualität in der deutschen Mehrheitsgesellschaft kaum noch eine Bedeutung haben.

Ganz anders der muslimische Bevölkerungsteil: Laut einer Studie beteiligen sich in Deutschland vier von fünf Musliminnen und Muslimen am Ramadan-Fasten. Ihre Enthaltsamkeit soll die Gläubigen daran erinnern, dass die Hingabe zu Gott einen höheren Stellenwert hat als die eigenen Bedürfnisse. Außerdem begann der Überlieferung zufolge im Ramadan die Herabsendung des Koran auf Mohammed. Das Gebet, die Solidarität mit Armen und das Wirken für die Mitmenschen spielen im heiligen Monat eine besondere Rolle. So gilt der Ramadan auch als Monat der guten Taten, der Versöhnung und der Familie.

Unterdessen ist von den Hackfleisch-Spießen, dem Couscous und dem in Knoblauchöl und scharfen Gewürzen eingelegten Gemüse am Ende viel übriggeblieben. Ein Iftar-Essen soll nicht zur Völlerei ausarten. Stattdessen essen und trinken Fastende in der Morgendämmerung noch etwas, um über den Tag zu kommen. Erst recht, wenn der Ramadan in die heißen Sommermonate fällt, weil er sich wie alle islamischen Monate nach dem kürzeren Mondjahr richtet und in den Jahreszeiten zurückwandert.

Zum Dessert folgt noch die Falooda, eine traditionelle Süßspeise aus Fadennudeln – ein Vorgeschmack auf das dreitägige Fest des Fastenbrechens, auch Zuckerfest genannt, am Ende der 30 verzichtreichen Tage ab diesem Mittwoch. Bei den Basits herrscht Vorfreude: „Das feiern wir jedes Jahr groß mit der ganzen Kölner Gemeinde.“