Zum Abschied lockt die Westerngitarre

Als Theologischer Kirchenrat hat Tobias Treseler die Lippische Landeskirche zwölf Jahre lang mitgestaltet. Gerd-Matthias Hoeffchen sprach mit ihm über die zurückliegende Amtszeit und seine Pläne.

Tobias Treseler freut sich schon, im Ruhestand wieder mehr Zeit für seine Westerngitarre zu haben.
Tobias Treseler freut sich schon, im Ruhestand wieder mehr Zeit für seine Westerngitarre zu haben.Unsplash/Thomas Kelley

Zwölf Jahre Kirchenleitung, davor Schulreferent, Landesjugendpfarrer, Direktor der Gossner Mission – hätten Sie sich als junger Student so eine Karriere vorstellen können?
Tobias Treseler: Als Student habe ich das große Glück genossen, mich intensiv mit Theologie beschäftigen zu können, im Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen, Professorinnen und Professoren. Kirchliche Strukturen haben für uns damals allenfalls am Rande eine Rolle gespielt. Das war eine reiche Zeit. Später, im Beruf, war ich dankbar für die Möglichkeiten, Kirche mitgestalten zu können.

Ist theologisches Gestalten denn heute noch möglich? Bei all den Debatten um Finanzen und Strukturen?
Ich habe mich zumindest immer bemüht. Mir war wichtig, Gottesdienste vorzubereiten und zu gestalten, gemeinsam mit den Gemeinden. Mir hat es große Freude gemacht, mit den Menschen zu reden und zuzuhören, was sie bewegt. Ich wollte predigen, die Kirchenmusik einbinden – das habe ich regelmäßig getan. Kirche muss präsent sein, auch im Gemeinwesen. Kontakt halten. Zum Beispiel in Zeitungsandachten, die ich regelmäßig geschrieben habe.

Was waren für Sie Höhepunkte Ihrer Dienstzeit?
Ein Höhepunkt war ganz klar das Jahr des Reformationsjubiläums 2017 mit all seinen Veranstaltungen. Das war sehr intensiv. Da konnten wir zeigen, was reformatorisches Profil auch heute noch heißt. In Lippe hatten wir dafür das Motto „Gemeinsam frei“. Das bedeutet: Wir können aufhören, uns um uns selbst zu drehen, sind frei, Verantwortung für uns selbst und unsere Welt zu übernehmen. Auch die hervorragende Kirchenmusik in Lippe war für mich immer eine große Freude. Ebenso der ökumenische Kirchentag 2016 auf Gut Wendlinghausen. Oder das Landesposaunenfest im vergangenen Jahr in Detmold mit seiner sinfonischen Messe.

Erprobungsraum „Kirche.plus“ und Publizistik als Herausforderungen

Und wo lagen die Herausforderungen?
Da gab es viele. Ganz weit vorn sicherlich die Digitalisierung der Kirche. Ich konnte eine Menge lernen bei unserem Projekt „Erprobungsraum Kirche.plus“. Das sind Kirchengemeinden, die sich digital engagieren. Auch die Publizistik war mir eine Herzensangelegenheit, mit ihren vielen notwendigen Umbauten. Etwa beim Evangelischen Presseverband für Westfalen und Lippe (Anm. d. Red.: der auch ‚Unsere Kirche‘ herausgibt). Wie kann die Kirche ihre Botschaft auch in Zukunft zu den Menschen bringen? Daran an verantwortlicher Stelle beteiligt gewesen zu sein, war mir eine große Freude. Die schulische und außerschulische Bildungsarbeit sowie das Bildungshandeln unserer Kirche überhaupt liegen mir schon wegen meines beruflichen Werdegangs sehr am Herzen. Kinder und Jugendliche müssen wir weiter im Blick behalten.

Was ist denn vielleicht nicht so gut gelungen, wo bleiben Baustellen?
Hmm. (Überlegt.) Vielleicht am meisten bei der Zusammenarbeit in den Regionen. Zum Beispiel bei der gemeindeverbindenden Jugendarbeit oder Kirchenmusik. Das könnte für meinen Geschmack schneller gehen. Da ist noch Luft nach oben.

Tobias Treseler

Wenn Sie nicht Pfarrer geworden wären – hätte es auch ein anderer Beruf sein können?
Bis zum Grundstudium habe ich Anglistik und Amerikanistik studiert, mit großem Interesse an Literaturwissenschaft. Ich hätte mir damals auch gut vorstellen können, Lehrer zu werden. Aber als Pfarrer in der Lippischen Landeskirche habe ich meine Freiheit und die Gestaltungsmöglichkeiten lieben gelernt. Nein, Pfarrer, das war der richtige Weg für mich.

Die Lippische Landeskirche ist eine der kleinsten in Deutschland. Immer wieder taucht da die Frage auf, ob sie selbstständig bleiben kann oder sich nicht besser mit ihren größeren Nachbarkirchen zusammentun soll.
Vorweg: Ich schätze die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen in der rheinischen und der westfälischen Kirche sehr. Als Kirchen in NRW sind wir stark, wenn wir zusammenarbeiten. Das tun wir auch, in ganz vielen Bereichen. Als kleine Landeskirche haben wir sicher unsere ganz eigenen Herausforderungen, aber wir haben vor allem auch ganz eigene Chancen. Als kleine Kirche können wir ganz nah bei den Menschen sein. Auch im ländlichen Bereich. Man darf nicht vergessen: Die regionale Verbundenheit der Menschen ist in Lippe sehr ausgeprägt, auch aufgrund der langen geschichtlichen Entwicklung. Natürlich müssen wir überlegen, wie wir bei kleiner werdenden Ressourcen diesen Anspruch einlösen können und die Qualität dabei aufrechterhalten können. Aber daran arbeiten wir.

Nach dem Abschied am 5. Februar – wie geht’s weiter?
Erst einmal übernehme ich noch Vertretungsaufgaben. Dann folgt ein Sabbatjahr. Dann geht’s in den tatsächlichen Ruhestand. Ich möchte mich mit Spiritualität beschäftigen, etwa beim Pilgern auf dem Fahrrad. Dann werde ich wohl meine Arbeit im Freundeskreis der Gossner Mission wieder aufnehmen, da liegen mir die vielen internationalen Kontakte am Herzen, vor allem nach Indien. Und ich werde meine alte Westerngitarre hervorkramen und endlich wieder Musik machen.