Zum 80. Geburtstag von Kinderbuchautor Klaus Kordon
Der Berliner Jugendbuchautor Klaus Kordon wurde vielfach für seine Bücher ausgezeichnet. Spannend und manchmal auch schonungslos erzählt er Geschichten, die aus dem Leben gegriffen und gerade deshalb mitreißend sind.
Der Berliner Jugendbuchautor Klaus Kordon wurde vielfach für seine Bücher ausgezeichnet. Spannend und manchmal auch schonungslos erzählt er Geschichten, die aus dem Leben gegriffen und gerade deshalb mitreißend sind.
Sein Lächeln ist herzlich, als er die Tür öffnet und an diesem spätsommerlichen Morgen in seine „kleine Schreibwerkstatt“ bittet. Er wirkt jung trotz seines Alters, trägt ein weißes Hemd, dazu Schnurrbart, eine beige Hose und Hausschuhe. In seiner Berliner Wohnung schreibt der Kinder- und Jugendbuchautor Klaus Kordon seit Jahrzehnten preisgekrönte Bücher – über die Arbeiterfamilie Gebhardt etwa oder den Jungen Frank, der im Berlin der Nachkriegszeit aufwächst. Sein jüngstes Buch „Alles neu macht der Mai“, das vor zwei Jahren erschien, stellt die Flucht einer Familie aus den Ostgebieten 1944/45 in den Mittelpunkt. Kordon wird am Donnerstag 80 Jahre alt.
Ein großer, ordentlicher Schreibtisch, zahlreiche Bücher, Bilder an den Wänden, dazwischen ein Plakat „Tiger eller Lamm“ (Tiger oder Lamm), gemalt von zwei kleinen Leserinnen aus Schweden. Tiger oder Lamm – das ist die Frage, die das indische Mädchen Munli in Kordons Buch „Wie Spucke im Sand“ aufwirft, weil sie eigentlich beides nicht sein will.
Eine große Lebensfrage, die typisch für den Kordon-Stil ist. Er versucht mit seinen Geschichten den jungen Lesern etwas mit auf den Weg geben. „Man muss so viel verarbeiten in seinem Leben, gerade in der heutigen Zeit. Ich glaube, dass Bücher einem helfen können, mit der Wirklichkeit umzugehen“, so Kordon. „Man kann nicht immer nur Pudding essen, man braucht auch einmal ein Steak, auf dem man herumkauen kann.“
So wählt er häufig Themen aus unbekannten Weltregionen oder historische Stoffe, die er in einfachen sozialen Milieus ansiedelt. Große historische Ereignisse werden hier am Küchentisch diskutiert. Seine Szenerie ist echt: Der Leser riecht das Klo auf dem Gang im dritten Hinterhof, ihm sticht die Kälte der Berliner Winter in die Wangen. „Geschichte von unten“ nennt Kordon das.
Seine Figuren haben gelegentlich autobiografische Züge. Frank, die Hauptfigur aus Kordons Roman „Brüder wie Freunde“, verliert mit sieben Jahren den Bruder, wird mit 13 Jahren Waise und kommt danach bis zur Volljährigkeit ins Heim. So wie Klaus Kordon selbst. Dass er sich gut in Kinder und Jugendliche hineinversetzen kann, liegt seiner Meinung nach auch daran, dass er eine ziemlich schwere Jugend hatte. „Dann erinnert man sich eher als jemand, der eine heile, glatte Kindheit hatte, in der alles geradegegangen ist und Vater und Mutter immer da waren“, sagt Kordon.
Den Mut, trotz seiner schweren Kindheit sein Leben zu meistern, haben Kordon vor allem Bücher gegeben: Thomas Mann, Döblin, Fallada. „Diese Autoren haben mich geprägt, sie waren so etwas wie meine Erzieher und haben mir vermittelt, wie man leben soll – wenn sich das jetzt auch ein bisschen dicke anhört“, sagt Kordon. Der Einsatz für die Schwachen zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk. „Ich fand es schon als Kind ungerecht, dass es den einen gut geht und den anderen schlecht.“
Seine Bücher tippt der Autor nicht auf dem Computer, sondern entwirft sie mit der Hand. „Wenn ich ein Buch schreibe, muss das was Sinnliches sein, da stört die Technik“, so Kordon. Korrigiert wird Kordon von seiner Frau Jutta, die das handschriftliche Manuskript abtippt und kritisiert.
Kordon wuchs im Osten Berlins auf und erlebte, wie die Mauer gebaut wurde. Obwohl er als Exportkaufmann erfolgreich war, litt er immer mehr unter dem System. „Das Hauptproblem war nicht, dass man sich irgendetwas nicht leisten konnte, sondern dass man bald gemerkt hat, dass man unfrei war, dass man überlegen musste, was man sagt.“
Der Wunsch nach Gerechtigkeit brachte Kordon dazu, mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in den 70er Jahren einen Fluchtversuch aus der DDR zu unternehmen. Er wollte vor allem eins: Schreiben – und „zwar so, wie ich denke, und nicht so, wie Partei und Regierung das wünschten“. Die Flucht misslang, Kordon und seine Frau wurden verhaftet, die Kinder kamen ins Heim. Nach einem Jahr Stasigefängnis schließlich kaufte die Bundesrepublik den Autor und seine Familie frei.
Bereut hat Kordon den Fluchtversuch nicht – trotz der Konsequenzen. „Wenn wir heute darüber sprechen, sagen wir, wir haben damals einen hohen Preis bezahlt für unsere Freiheit, aber er war nicht zu hoch. Nur so konnten wir unser Leben aufbauen, wie wir uns das gewünscht haben. Und unsere Kinder auch.“
Auch seine Fluchterfahrung verarbeitete Kordon zu einem Buch. „Krokodil im Nacken“, heißt der Roman, der 2003 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde. 2016 erhielt er die Ehrung erneut für sein Gesamtwerk.
Immer noch sitzt er jeden Morgen am Schreibtisch und bringt seine Gedanken zu Papier – allerdings nur für anderthalb Stunden, nicht wie früher stundenlang. „Zu einem 500-Seiten-Roman reicht meine Kraft nicht mehr“, sagt er und erzählt, dass er gerade an einem kleinen Kinderroman schreibe, der im heutigen Berlin spiele und in dem Kinder verschiedener Herkunft die Protagonisten sind. Die Geschichte sei „teils heiter – aber auch ein bisschen was zum Nachdenken“. Ein echter Kordon eben.