Zum 150. Geburtstag des britischen Archäologen Howard Carter

Ihm ist das gelungen, was sich wahrscheinlich alle Archäologen in ihrem tiefsten Herzen wünschen: ein unberührtes Herrschergrab zu finden. Damit machte er Geschichte – und die Welt lernte Tutanchamun kennen.

Anfang November 1922 entdeckte der Grabungshelfer Hussein Abd al-Rasul im Tal der Könige im ägyptischen Luxor Stufen. Er machte Howard Carter, den britischen Grabungsleiter, darauf aufmerksam. Diese Stufen führten zu einem unentdeckten Pharaonengrab. Carter ging mit diesem Fund in die Geschichte ein. Es war für ihn wie ein Lottogewinn. Denn hätte er nicht das Grab von Tutanchamun gefunden – er wäre als gescheiterte Existenz geendet. Der Archäologe wurde vor 150 Jahren, am 9. Mai 1874, in London geboren. Sein Name ist bis in alle Ewigkeit mit dem von Tutanchamun verbunden.

Bis dahin war es ein langer und schwieriger Weg. Carter hat wegen seiner schwachen Gesundheit eine eher rudimentäre Schulbildung erfahren. Studiert hatte er nicht, aber gut zeichnen konnte er. Mit diesem Talent war er in Ägypten sehr gefragt, weil Grabungen und Funde damals in der Regel noch zur Dokumentation gezeichnet wurden. Ein Zeichner war billiger und einfacher zu bestellen als ein Fotograf. So sammelte er Erfahrungen bei verschiedenen Grabungskampagnen in Ägypten und brachte sich dabei das Lesen von Hieroglyphen selbst bei.

Der damalige Direktor der ägyptischen Altertümerverwaltung, Gaston Maspero, ernannte Carter 1899 zum Oberinspektor der Altertümerverwaltung in Oberägypten und Nubien. Als ihn ein Konflikt mit französischen Touristen seine Stellung kostete, war er eine Zeit lang ohne bezahlte Beschäftigung und hielt sich mit dem Verkauf seiner Zeichnungen über Wasser. Außerdem war er gefragt als Verkäufer oder Zwischenhändler von Antiquitäten. Als Engländer mit Erfahrung bei Ausgrabungen galt er den Ägypten-Besuchern aus Europa als erheblich vertrauenswürdiger als einheimische Händler. Professionelle Archäologen rümpften allerdings die Nase über ihn.

1907 lernte Carter Lord Carnarvon kennenlernte – und hatte damit plötzlich wieder eine Perspektive. Denn der britische Adelige interessierte sich für Ausgrabungen und war bereit, dafür viel Geld in die Hand zu nehmen. Zunächst konzentrierten sie sich auf Deir el-Bahri, wo heutige Besucher den berühmten Hatschepsut-Tempel bewundern. 1914 erhielt Carnarvon dann die begehrte Erlaubnis, Ausgrabungen im Tal der Könige vornehmen zu lassen.

Nach Jahren ohne nennenswerte Erfolge wollte der adelige Sponsor die Reißleine ziehen. Carter konnte ihm noch eine allerletzte Grabungssaison im Tal der Könige abringen. Anfang November 1922 machten sie dann jenen Fund, der sie von jetzt auf gleich berühmt machte. Es gibt Grund zu der Annahme, dass Carter, Carnarvon und dessen Tochter Lady Evelyn am Abend vor der offiziellen Öffnung schon heimlich im Grab waren und einige kleinere Teile mitgenommen haben. In Carters Nachlass fanden sich Antiquitäten, die eigentlich nicht dorthin gehörten.

So großartig der Fund eines unberührten Pharaonengrabs auch war – die kommenden Jahre waren für Carter sehr herausfordernd, besonders weil er nur über eingeschränkte soziale Fähigkeiten verfügte. Er musste ein Grab ausräumen, dessen wertvolle Beilagen zu zerfallen drohten. Gleichzeitig galt es dafür zu sorgen, dass Grabräuber keine Chance bekamen. Und dann standen auch noch VIPs und Journalisten aus aller Welt vor dem Grab und verlangten eine Führung. Carter war permanent überfordert.

Zehn Jahre brauchte er zusammen mit verschiedenen anderen Archäologen, um das Grab samt Beigaben zu sichern und zu dokumentieren. Heute sind sie im Ägyptischen Museum in Kairo zu bewundern. Erstaunlicherweise ist der glückliche Finder dieses Schatzes nicht mit Orden und Ehrungen überhäuft worden. Ägypten ehrte ihn, nicht aber sein Heimatland Großbritannien; Gründe dafür sind nicht bekannt.

Nachdem 1932 die Arbeit an dem Grab abgeschlossen war, zog sich Carter, gesundheitlich angeschlagen, zurück. Wegen der angenehmen Temperaturen verbrachte er die Winter in Luxor in der Nähe des Tals der Könige und lebte sonst in seiner Wohnung in London. Insgesamt führte er ein ruhiges, von gesundheitlichen Problem überschattetes Leben, bis er am 2. März 1939 in London starb.