Zugfahrt nach Rumänien

Während der Monate Dezember und Januar war ich nicht in Ca?a. Anfang Februar bin ich mit dem Zug zurückgekommen. Den Liegewagen von Wien nach Sighi?oara teilte ich mit einem vielleicht fünfzigjährigen rumänischen Ingenieur, der jeweils vier Wochen im Ausland arbeitet und danach zwei Wochen Urlaub hat. Jetzt fuhr er seinen zwei freien Wochen entgegen … Von Jürgen Israel

Von Jürgen Israel

Während der Monate Dezember und Januar war ich nicht in Ca?a. Anfang Februar bin ich mit dem Zug zurückgekommen. Den Liegewagen von Wien nach Sighi?oara teilte ich mit einem vielleicht fünfzigjährigen rumänischen Ingenieur, der jeweils vier Wochen im Ausland arbeitet und danach zwei Wochen Urlaub hat. Jetzt fuhr er seinen zwei freien Wochen entgegen. Am Abend haben wir nur wenig miteinander gesprochen, aber am nächsten Vormittag haben wir uns die ganze Zeit unterhalten.

Alle Probleme, die ich aus Ca?a kenne, waren sofort gegenwärtig: Rumänien sei ein schönes Land, die Rumänen seien, im Gegensatz zu den Deutschen, freundliche, gesellige Menschen. Aber er bekomme im Land keine vernünftige Arbeit. Er sei bei einer Schifffahrtsgesellschaft angestellt, die vierzehntägige Reisen zwischen Österreich und Ungarn anbietet.

Die Fahrgäste seien ausschließlich US-Amerikaner und Australier; durch entsprechende Verträge seien die Schiffe stets ausgelastet, 160 Personen, dazu 15 Besatzungsmitglieder. Als einziger Ingenieur an Bord habe er oft einen Zwanzig-Stunden-Arbeitstag. Er sagte mir auch sofort, wie viel er verdiene, 1600 Euro im Monat. Damit war er zufrieden. Dass er die ganze Zeit an Bord bleiben muss, auch wenn die Passagiere an Land gingen, störte ihn nicht. Aber es wäre unbedingt nötig, dass ein zweiter Ingenieur angestellt würde. Er sei wie ein Handwerker für das gesamte Schiff zuständig, von der defekten Dusche in einem Gästeappartement bis zu Problemen im Maschinenraum.Vor allem habe er zu wenig freie Zeit.

Für die Fahrt nach Hause und wieder zurück müsse er jeweils einen Tag einplanen. Auch im Winter, wenn die Schiffe nicht fahren, wird dieser Rhythmus durchgehalten: vier Wochen arbeiten, zwei Wochen frei. Die Schiffe werden insgesamt überholt; was repariert werden muss, wird repariert; dazu sei während der Saison keine Zeit. Mit Frau und Tochter habe er eine kleine Wohnung. Sein Wunsch sei ein eigenes Haus. Seine Frau arbeitet in einem Geschäft, nicht als Verkäuferin, sondern in der Verwaltung; das heißt, es muss sich um einen größeren Betrieb handeln. Ihr Lohn sei sehr gering.

Was unsere Unterhaltung, wie ich sie ähnlich oft geführt habe, von anderen unterschied und für uns beide vergnüglich machte, war, dass er seine Deutsch- und Englischkenntnisse aufbessern wollte und mir im Gegenzug Rumänisch beibrachte.

Am Nachmittag kam ich bei strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen in Ca?a an. Eine Verkäuferin sagte mir später, das Wetter sei wie sonst im April.

Auf dem Weg vom Bahnhof wurde ich von vielen Menschen sehr freundlich begrüßt. Ich denke nicht, dass sie sich besonders darüber freuen, dass ich wieder hier bin; aber sie sind mir wohlgesonnen, und das ist ein großes Glück.