Zu cool, um vergessen zu werden

Nein, er denke nicht, dass alle seine Songs traurig seien, sagte Townes Van Zandt einmal in einem Interview: „Ich habe auch ein paar geschrieben, die nicht traurig sind – die sind hoffnungslos.“ Der texanische Musiker schrieb unverwechselbare Stücke voller Empfindsamkeit und Melancholie. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter einer alternativen Countrymusik. Vor 80 Jahren, am 7. März 1944, kam er zur Welt, er starb 1997.

Bob Dylan soll ihn in den 1980er Jahren Berichten zufolge immer mal wieder eingeladen haben, zusammen Songs zu schreiben, was Van Zandt jedoch abgelehnt habe. Für den Countrymusiker und Schauspieler Kris Kristofferson war er schlicht der „Songschreiber der Songschreiber“. Und in Deutschland bezeichnete ihn das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ als „traurigen Troubadour“ und einen der einflussreichsten Song-Poeten der USA. Posthum wurde er 2012 in die „Texas Heritage Songwriters Hall of Fame“ aufgenommen.

Obwohl von Musikerkollegen hochgeschätzt, blieb Van Zandt lange ein Geheimtipp. Erfolgreich wurden seine Songs vor allem in Coverversionen anderer Künstler wie „Pancho and Lefty“ von Willie Nelson und Merle Haggard oder „If I Needed You“ von Emmylou Harris. Van Zandts akustische Version des „Rolling Stones“-Stücks „Dead Flowers“ ist in dem Kultfilm „The Big Lebowski“ mit Jeff Bridges zu hören. Lucinda Williams widmete ihm ihren Song „2 Kool 2 Be 4-Gotten“ (Zu cool, um vergessen werden).

Der Musiker, der sein Leben lang mit Alkohol- und Drogensucht sowie mit Depressionen kämpfte, veröffentlichte seine Alben überwiegend bei kleinen Plattenfirmen, spielte meist in kleinen Clubs. Er war dreimal verheiratet und hatte drei Kinder.

Als Jugendlicher ließ er sich auf einer Party von Studierenden einmal von einem Balkon aus dem vierten Stock herunterfallen. Er habe wissen wollen, wie es sich anfühlt, „zu dem Punkt zu kommen, wo man die Kontrolle verliert und fällt“, erklärt Van Zandt in der Dokumentation „Be Here to Love Me“.

Seine Eltern ließen ihn daraufhin in stationäre psychiatrische Behandlung einweisen. Die Ärzte diagnostizierten eine schizophrene Psychose und manische Depressionen, er wurde einer dreimonatigen Behandlung mit Insulin- und Elektroschocks unterzogen. Diese Behandlung hat nach Aussagen Van Zandts seine Kindheitserinnerungen komplett ausgelöscht: Seine Kindheit habe er seitdem nur noch aus Erzählungen gekannt.

Geboren wurde er als John Townes Van Zandt in Fort Worth in Texas. Er wuchs in einer wohlhabenden Familie auf, die seit mehreren Generationen im Ölgeschäft aktiv war. Musikalisches Erweckungserlebnis war ein Auftritt Elvis Presleys in der „Ed Sullivan Show“. Von seinem Vater bekam er die erste Gitarre, übte stundenlang. Als seine größten Einflüsse nannte Van Zandt unter anderen den texanischen Bluesmusiker Lightning Hopkins, den Countrysänger Hank Williams und Bob Dylan.

Im Jahr 1967 brach er sein Studium für Jura-Vorbereitungen ab, um sich ganz der Musik widmen zu können. Ein Jahr später veröffentlichte er sein erstes Album, „For the Sake of the Song“, auf dem sich bereits die düstere Outlaw-Ballade „Waiting Around To Die“ (Warten aufs Sterben) befindet: „Manchmal weiß ich nicht, wohin mich diese schmutzige Straße trägt. Manchmal kann ich noch nicht mal den Grund dafür erkennen“, singt er. Zu seinen bekannten Stücken zählt auch „Flyin‘ Shoes“, in dem er die Einsamkeit des Unterwegsseins in Kunst verwandelt: Er werde des „same old Blues“ müde und sehne sich danach, „fliegende Schuhe“ anzuziehen und nach Hause zu kommen.

Der bescheiden und schüchtern auftretende Musiker hatte auch in Deutschland eine treue Fangemeinschaft. Noch im Jahr 1995, zwei Jahre vor seinem Tod, gab Van Zandt Konzerte in Berlin, Dresden, Bonn, Hannover, Bielefeld, Köln und München.

Gegen Ende seines Lebens war er nach jahrzehntelanger Sucht ausgelaugt, musste sich zudem nach einem Sturz einer Hüftoperation unterziehen. Entgegen den dringenden Empfehlungen der Ärzte, dass der Musiker wegen seiner Alkohol- und Drogensucht weiter behandelt werden müsse, verließ er die Klinik und starb am Neujahrsmorgen 1997 im Alter von 52 Jahren – offenbar an einem Herzinfarkt.

Er werde nicht lange leben, sagte Van Zandt selbst in der Film-Doku „Be Here to Love Me: “Ich glaube, mein Leben wird zu Ende sein, bevor mir die Musik ausgeht.“