Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist am 19. Juli 1950 in Frankfurt am Main gegründet worden. Delegierte der wiedererstandenen jüdischen Gemeinden aus allen Teilen Deutschlands schufen mit ihm eine Interessenvertretung. Ursprünglich als Anlaufstelle für eine Übergangszeit bis zur Ausreise der Jüdinnen und Juden aus Deutschland gedacht, entwickelte sich der Zentralrat zur dauerhaften politischen und religiösen Vertretung der wieder sesshaft gewordenen jüdischen Gemeinschaft.
Die fünf jüdischen Gemeinden in der ehemaligen DDR wurden nach der Wiedervereinigung 1990 aufgenommen. „Seit 75 Jahren steht der Zentralrat der Juden in Deutschland für die Stärkung jüdischen Lebens in unserem Land – ein Wunder der Geschichte und ein bleibendes Zeichen des Vertrauens in unsere Demokratie“, zitiert der Zentralrat Worte des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck zum Jubiläum.
Die Mitgliederzahl schwankte nach Angaben der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland in den vergangenen 75 Jahren erheblich. Von knapp 16.000 Mitgliedern im Jahr 1955 wuchs sie allmählich bis über 28.000 im Jahr 1981, um dann wieder leicht zu sinken. 1990 setzte mit der Zuwanderung aus der Sowjetunion und den aus ihr entstandenen Staaten ein starker Zuwachs ein, so dass die Mitgliederzahl bis 2006 auf knapp 108.000 anstieg. Seither geht sie allmählich wieder zurück, im Jahr 2024 gehörten den mit dem Zentralrat verbundenen 105 Gemeinden mehr als 89.000 Mitglieder an.
„Der Zentralrat ist für die Jüdinnen und Juden mehr als ein Sprachrohr, er ist mit seinem großen Angebot auch ein Zuhause“, schildert der Präsident Josef Schuster auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). Der Zentralrat stärke die einzelnen Gemeinden, setze sich für ihre Sicherheit ein und mache Bildungsangebote. Nach außen trete der Zentralrat gegen Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ein, für die Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und für die Förderung des Dialogs unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen.
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 seien Jüdinnen und Juden in einem Ausnahmezustand, so Schuster. „Immer noch sehen wir steigende Zahlen bei antisemitischen Vorfällen und Straftaten. Gerade Universitäten stellen für viele junge Jüdinnen und Juden zunehmend ein Problem dar. Vor allem israelbezogener Antisemitismus ist in der Mitte unserer Gesellschaft sehr präsent.“
Nach dem im vergangenen Oktober vom Zentralrat veröffentlichten Lagebild waren 42 Prozent der jüdischen Gemeinden 2024 von antisemitischen Vorfällen betroffen. Die Folge sei „ein verstärktes Unsicherheitsgefühl unter Jüdinnen und Juden in Deutschland“. Joachim Gauck schrieb zum Jubiläum: „Es bleibt unsere gemeinsame Aufgabe, an der Seite des Zentralrats einzutreten für eine Gesellschaft, in der Menschenwürde, Freiheit und gegenseitiger Respekt unerschütterlich verteidigt werden.“