Zeitloser Star und Stil-Ikone: Grace Jones wird 75

Sie ist legendär für ihre extravaganten Auftritte und ihre einzigartige Coolness. Grace Jones steht für Selbstbestimmung als schwarze Frau. Aufgewachsen in Armut, gelang ihr die Weltkarriere.

Mit über 70 noch auf der Bühne – Grace Jones bei einem Konzert in Norwegen (2022)
Mit über 70 noch auf der Bühne – Grace Jones bei einem Konzert in Norwegen (2022)Imago / Gonzales Photo

In den 80er Jahren schallten „Slave to the Rhythm“ oder „Pull Up to the Bumper“ aus jedem Club. Auf MTV liefen die avantgardistischen Musikvideos der schwarzen androgynen Frau in extravaganten Outfits in Dauerschleife. Zu ihren Freunden zählten Künstler wie Andy Warhol oder Keith Haring, der ihren Körper für das Video „I’m not Perfect (But Perfect for You)“ mit Graffiti bemalte. Auf der Kinoleinwand war sie an der Seite von Roger Moore und Arnold Schwarzenegger in „James Bond 007 – Im Angesicht des Todes“ und „Conan der Zerstörer“ zu sehen. Am 19. Mai wird Grace Jones 75 Jahre alt.

Die gebürtige Jamaikanerin steht mit ihrer Karriere und ihrer Persönlichkeit für die Selbstbehauptung von Frauen und schwarzen Menschen. Kaum einem anderen Kunstschaffenden aus einem Nicht-Industrieland sei ein solcher Weg zum Weltstar gelungen, sagt der Popmusik-Experte Gregor Schwellenbach. „Das Wesentliche an ihrer Kunst sind nicht so sehr Komposition oder Gesangstechnik, sondern dass sie eine individuelle und starke Persönlichkeit repräsentiert“, erklärt Schwellenbach, der am Bochumer Institut für Popmusik der Folkwang Universität der Künste unterrichtet.

Ihr musikalischer und visueller Stil sei zeitlos, erklärte Schwellenbach. Ihrer Musik höre man an, dass Jones immer die künstlerische Kontrolle behalten habe. Auch habe sie vieles vorweggenommen, was heute gesellschaftlich größere Themen seien, etwa das Hinwegsetzen über Geschlechterrollen oder Antirassismus.

Jones habe sich lange vor den Rihannas dieser Welt auch als stolze ‚Woman of Colour’„ präsentiert, “die ihren Körper selbstbestimmt einsetzt und genießt“, schrieb einmal die taz. Ihre Sexualität lebt sie selbstbewusst, wie sie in ihrer 2015 veröffentlichten Autobiografie “’l’ll never Write My Memoirs“ beschreibt.

Als ein berühmter Chef einer Pariser Model-Agentur dem einstigen Model erklärte, dass er sie wegen ihrer Hautfarbe nicht vermarkten könne, soll sie ihn mit lauten Flüchen überzogen haben, bevor sie Türen knallend aus der Agentur gestürmt sei. Legendär ist auch, wie Jones einem BBC-Moderator vor laufender Kamera Ohrfeigen gab, weil er ihr zu lange den Rücken zuwandte. Sie sei wie eine Amazone gekleidet gewesen, aber wie ein Dienstmädchen behandelt worden, erklärte sie hinterher.

Ihr Ziel sei es nie gewesen, wegen der Öffentlichkeitswirksamkeit kontrovers zu sein, erklärte Jones in ihrer Autobiografie : „Wenn ich etwas nicht mochte oder ich mich nicht wohlfühlte, dann machte ich es nicht.“

Die Stärke und Selbstbestimmtheit der Musikerin und Performance-Künstlerin ist auch eine Reaktion auf eine Kindheit voller Gewalt und Verbote. Ihre jungen Jahre in einer streng religiösen Familie beschreibt sie als „Gefangenen-Lager“. Ihre Eltern und Großeltern gehörten einer freikirchlichen Pfingstbewegung auf Jamaika an, die sich durch eine wortgetreue Auslegung der Bibel und besondere Strenge auszeichnete. Geboren wurde Grace Beverly Jones am 19. Mai 1948 in Spanish Town bei Kingston. Die Mutter stammte aus einer tief religiösen Familie, der Vater sollte ebenfalls Prediger und später Bischof werden.

Als die Eltern in den 50er Jahren in die USA gingen, um dort ein Leben für die Familie aufzubauen, blieben Grace und vier ihrer Geschwister auf Jamaika bei der Großmutter mit deren zweitem Ehemann. Grace und ihren Geschwistern war es nicht erlaubt, nach der Schule zu spielen oder Freunde zu sehen. Der Stiefgroßvater hatte für jedes Kind eine eigene Rute parat, mit der er regelmäßig angebliche Ungehorsamkeit bestrafte: „Es gab nur die Bibel und Schläge“, schrieb Jones in ihrer Autobiografie.

Als die Eltern ihre Kinder in den 60er Jahren nach Syracuse in den USA nachholten, nabelte sich Grace Jones bald ab: Sie begann, Theater zu spielen, und hielt sich mit Jobs als Model und Go-Go-Tänzerin über Wasser. In Paris gehörte sie neben Jerry Hall und Jessica Lange zu den ersten Models der neuen Agentur „Euro-Planing“, aus der später „Prestige“ wurde. Bald schon war sie auf den Titelseiten von „Vogue“ und „Elle“ zu sehen. In Clubs in Paris und New York sang sie bei ihren Auftritten auch Songs.

Nach ihren ersten drei Alben mit Disco-Rhythmen wurde sie mit dem Wechsel zu „Island-Records“ unter dem Produzenten Chris Blackwell zum Weltstar. Mit jamaikanischen Spitzenmusikern wie dem Drummer Sly Dunbar und dem Bassisten Robbie Shakespeare nahm sie Anfang der 80er Jahre die Alben „Warm Leatherette“, „Nightclubbing“ und „Living My Life“ auf. Mit „Slave to the Rhythm“ (1985) war sie ganz oben angekommen.

Gefeiertes Comeback

Ihr optisches Konzept und ihre Bühnenshows wurden von dem Illustrator Jean-Paul Goude umgesetzt. Mit Goude, der lange Zeit auch ihr Lebenspartner war, hat Jones einen Sohn, Paulo.

Nach einer fast 20-jährigen Veröffentlichungspause gelang Jones im Jahr 2008 mit dem Album „Hurricane“ ein gefeiertes Comeback. Bis heute ist sie auf den Bühnen dieser Welt unterwegs. Kurz nach ihrem Geburtstag gibt sie am 31. Mai ein Konzert im Hammerstein Ballroom in New York. Auch als über 70-Jährige tritt sie wie gewohnt auf: mit extravaganten Outfits, selbstbewusst und körperbetont.