ZDF unternimmt Annäherung in eigener Sache

2023 wurde bekannt, dass ZDF-Gründungsintendant Karl Holzamer seine Rolle in der NS-Diktatur geschönt hat. Der Mainzer Sender nähert sich nun in einer Doku der widersprüchlichen Biografie.

Er gehört bis heute zu den großen Übervätern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Karl Holzamer, der Gründungsintendant des ZDF. Katholisch, konservativ, wurde er zum “Fürsprech” des sauberen Bildschirms, wie der “Spiegel” 1977 zu seinem Abschied beim Zweiten Deutschen Fernsehen schrieb.

Was erst durch Recherchen des 1963 gegründeten Senders zum eigenen Jubiläum 2023 eher zufällig bekannt wurde: Holzamer war in der NS-Diktatur Parteimitglied und als linientreuer Journalist und späterer Kriegsberichterstatter einer der “Vorschubleister, eine Stütze des Systems”, wie es der Historiker Martin Sabrow formuliert.

2023 hatte ZDF-Intendant Norbert Himmler bereits bekannt: “Das Gesamtbild, das Karl Holzamer von sich gezeichnet hat, hält der historischen Wahrheit nicht stand.” Jetzt legt das ZDF nach und untermauert in der “Terra X History”-Ausgabe “Reporter in Hitlers Krieg. Von der Diktatur in die Demokratie” (ab sofort in der ZDF-Mediathek) die Vorwürfe gegen den eigenen Intendanten.

Holzamer war ein Rundfunkmensch der ersten Stunde, der auch dann auf Sendung blieb, als von unabhängiger Berichterstattung keine Rede mehr sein konnte. Für den “Reichssender Köln” geht es ins münsterländische Burgsteinfurt, die Sendung widmet sich dem “westfälischen Bauern und seinem Hof” und dieser “Funkbericht” entsteht ganz ausdrücklich unter “Mitwirkung des Gauleiters Westfalen-Nord, Reichsstatthalter Dr. Meyer”, später einer der Teilnehmer der Wannseekonferenz. “Familienvater Holzamer will sein Auskommen – auch im Nationalsozialismus”, heißt es lakonisch in der Doku von Jörg Müllner.

Seine “Karriere” hat Holzamer nie ganz verschwiegen, die NSDAP-Mitgliedschaft mit der Nummer 6.088.556 beim ZDF aber unter den Tisch fallen lassen und bei der Universität Mainz – hier hatte Holzamer nach dem Krieg als Professor der Philosophie angefangen – zu einer bloßen, kurzzeitigen “Anwartschaft” herabgelogen. Oder, wie der Film höflicher formuliert, “retuschiert”.

Große Begeisterung für den Führer und fanatischer Antisemitismus sind bei Holzamer nicht festzustellen. Doch macht ein vom ZDF ausgegrabener Interviewschnipsel klar, dass später mehr als nur ein bisschen Geschichtsklitterung beim auch im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion eingesetzter Propagandakompanie-Soldaten mit im Spiel war. 1999 erzählt Holzamer in einem Interview, er sei im Osten gewesen, “als der Krieg noch einigermaßen zivil war und wirklich militärische Ziele betraf und nicht auf eine Vernichtung der Bevölkerung ausging”. Was Historiker Sabrow im Film zu Recht als “ziemlich starken Tobak” bezeichnet.

Ein historischer Mitschnitt aus dem Krieg, in dem Holzamer eine von ihm geplante dreiteilige Radioserie zur Lage in deutsche “Frontstädten” skizziert, zeigt ihn als Fachmann für ästhetische NS-Proganda: Der erste Teil “Urioso”, soll von “der Schrecklichkeit und Grässlichkeit des Bombenkriegs” berichten, der “Largo” betitelte weiter vom “Aushalten, Dulden und Tragen” der Bevölkerung – und das “Credo” zum Schluss vom “Glauben, der Zuversicht, die begründet ist und die auch gehärtet wurde” zeugen.

Im November 1944 kommentiert Holzamer dann für den Rundfunk den Einsatz einer V-1 – laut Sabrow eine “Auszeichnung” und Beleg für die gehobene Stellung des späteren ZDF-Intendanten im Kreise der Kriegspropagandisten: Bei der angeblichen Wunderwaffe “durften nur handverlesene Kriegsberichterstatter” ran.

Holzamer zur Seite stellt “Reporter in Hitlers Krieg” die Biografien dreier weiterer ehemaliger Propagandakompanisten, die später in Westdeutschland Karriere machten. Während sich “Stern”-Gründer Henri Nannen wohl am ehrlichsten mit der eigenen Rolle in der NS-Zeit auseinandersetzte – “Ich war zu feige” schrieb er später in eben diesem “Stern” – und sich auch Peter von Zahn um Aufarbeitung und Reue bemühte, sah das bei Giselher Wirsing ganz anders aus.

Der spätere Chefredakteur der in den 1950er- und1960er-Jahren höchst erfolgreichen Wochenzeitung “Christ und Welt” fuhr einen klar autoritär-nationalen Kurs und ging auf Distanz zur sich in der jungen Bundesrepublik entwickelnden demokratischen Kultur. Während der “Spiegelaffäre” 1962 stellte er sich gegen dessen inhaftierten Herausgeber Rudolf Augstein, dem er attestiert, “jedes Gemeinwesen wie ätzende Lauge” aufzulösen. Später versuchte Wirsing, eine Berichterstattung über den Frankfurter Auschwitzprozess in “Christ und Welt” zu verhindern und nannte die geplante Gedenkstätte im Haus der Wannseekonferenz ein “Denkmal der Schande”.

Doch Holzamer steht klar im Zentrum der Doku, die dann auch ZDF-gemäß zu einem abgeklärten Urteil über den eigenen Gründungsintendanten kommt: Karl Holzamer habe Propaganda gemacht und Teile seiner NS-Vergangenheit verschwiegen – “doch er gilt auch als Wegbereiter eines unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks”.