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ZDF-Gaunerkomödie langweilt durch perfekte Protagonistinnen

In der Neo-Serie “Cat’s Eyes” rächen drei Pariserinnen den Mord an ihrem Vater und sind sogar noch schöner als seine geklauten Gemälde. Das ist zwar extrem oberflächlich, passt aber perfekt ins Genre.

Paris ist zwar nicht die größte, aber am dichtesten besiedelte und ganz gewiss markanteste Großstadt Europas. Den Eiffelturm sieht man in der französischen Hauptstadt daher oft. So oft jedoch, wie Tamara, Sylia und Alexia Chamade dekorativ vor dem Tour Eiffel stehen – das ist nicht mal mit den ausladenden Pariser Sichtachsen zu erklären. Es hat also andere Ursachen. Die Schwestern sind kein Motiv touristischer Schnappschüsse, sondern professioneller Filmaufnahmen. Konkreter: Hauptfiguren einer glamourösen Gaunerkomödie. Und je nach Drehort halten die sich halt generell gern in der Umgebung ikonischer Monumente auf.

Während in Berlin dann ständig das Brandenburger Tor zu sehen ist, in Kairo Pyramiden, in San Francisco die Golden Gate Bridge und in London Big Ben, geht der ZDF-Achtteiler “Cat’s Eyes” aber noch einen PR-Schritt weiter: Wenn die Kunstdiebin Tamara ein teures Gemälde entwendet, dann aus einer Ausstellung im Eiffelturm, von dem sie, so scheint es, anschließend mit dem Fallschirm springt und in die Pariser Nacht entkommt. Das Stadtmarketing dürfte entzückt sein. Das Fernsehpublikum schon weniger.

Denn die deutsch-französische Koproduktion von TF1 und ZDFneo ist eine derart aufdringliche Aneinanderreihung cineastischer Stereotypen, dass “007” dagegen geradezu sachlich wirkt und “Die Hard” wie eine Workplace-Dokumentation auf Arte. Schwer zu sagen, wo man anfangen soll. Vielleicht bei der Handlung. Zwölf Jahre, nachdem der Kunstsammler Michaël bei einem Brand seiner Galerie ums Leben kam, kehrt Töchterchen Tama (Camille Lou) zurück nach Paris, wo sie die daheimgebliebenen Syl (Constance Labbé) und Alex (Claire Romain) zur Tat ruft.

In ihrer fünfjährigen Abwesenheit wurde der Mittzwanzigerin nämlich klar, dass Papa keinem Unfall, sondern einem Mord zum Opfer gefallen ist. Dafür sprechen vermeintlich verbrannte Bilder, die nach und nach im Besitz des dubiosen Kunsthändlers Godard (Gilles Cohen) und seiner wasserstoffblonden Amazone Prudence (Élodie Fontan) auftauchen. Wie im gleichnamigen Manga von Tsukasa Hojo geht das genetisch gleiche, phänotypisch verschiedene Trio auf wilde Jagd nach dem Erbe. Und Regisseur Alexandre Laurent macht aus der japanischen Vorlage eine französische Achterbahnfahrt, die acht Stunden lang alle, wirklich alle Action-Klischees der Filmgeschichte reproduziert.

Für ihren Dauereinsatz am Rande des physikalisch Möglichen zu Lande, zu Wasser und in der Eiffelturmluft, hat besonders die wandlungsfähige Tama offenbar Ausbildungen zur Kampfschwimmerin, Parcoursläuferin, Fallschirmspringerin, Hochseilartistin, Nahkämpferin, Feinmechanikerin und Schauspielerin absolviert. Wie ihre Schwestern nimmt sie dabei ständig Identitäten anderer an, muss aber niemals stocken, zucken, schwitzen, blinzeln und sieht dabei stets makellos aus. Analog zur ähnlich depperten, ungleich teureren, aber sehr erfolgreichen Prime-Serie “Citadel” sind allerdings fast alle Hauptfiguren geradezu grotesk schön, schlank und sexy.

Allen voran natürlich die “Cat’s Eyes”, wie sich die drei bald nennen. Aber auch Polizisten wie Tamas Ex Quentin (MB14) oder seine Kollegin (und Freundin) Gwen (Cindy Bruna) könnten direkt vom Tatort zum Catwalk laufen. Bis auf die üblichen Nerds austauschbarer Nebenrollen ist das Format damit vollumfänglich auf die Oberflächlichkeit unverletzlicher Held(inn)en gebürstet und damit bis an den Grenzzaun des Lächerlichen clean. Das allerdings hat nicht nur mit der Umsetzung zu tun, sondern mehr noch mit dem Genre.

Kunstraubzüge, eine Unterkategorie opulenter Heist-Movies, verbinden den Glamour unerreichbarer Skulpturen, Gemälde, Colliers mit profaner Kriminalität, die dabei naturgemäß distinguierter daherkommt. Prototyp dieser Sorte Gentlemen-Gangster ist Maurice Leblancs Meisterdieb Arsène Lupin, der bereits bald nach seiner Buchpremiere 1907 die Leinwand eroberte – und zuletzt mit Omar Sy den Streamingdienst Netflix. Zwischendurch haben Serien wie “Art of Crime” und “Riviera”, “White Collar” oder “Leverage” den Mythos vom fiktionalen Beutegut genährt, dessen Glanz selbst den Räuber aufwertet.

Es kommt daher höchstens am Rande drauf an, ob Tama, Syl und Alex realistische Figuren sind. Handlungsökonomisch wichtiger ist ihre Tauglichkeit für rasante Schnittfolgen attraktiver Menschen in telegener Kulisse. Atemlose Hochglanzaction eben mit klaren Gut-Böse-Konturen und etwas familienfreundlicher Erotik.

Immerhin: Den Bechdel-Text mehrerer Fragen, die den Emanzipationsgrad einer Serie messen, besteht “Cat’s Eyes” locker. Diese Frauen sind schließlich nicht nur viel zu schön, um wahr zu sein, sondern auch zu klug, athletisch, tough, schlagfertig, durchtrieben, gelehrt und eigenständig. Auch deshalb spielen Männer hier allenfalls dekorative Sidekicks. Wem das für achtmal 60 Minuten Kunstraubmärchen reicht: unbedingt ansehen! Für alle anderen: Omar Sys “Lupin” ist drei Staffeln lang zwei Klassen besser.