Das Zahnmobil hilft seit mehr als einem Jahr bedürftigen Menschen in Schleswig-Holstein mit akuten Zahnproblemen. „Im vergangenen Jahr konnten rund 800 Menschen in der mobilen Zahnarztpraxis behandelt werden“, sagt Josefine Scotti von der Diakonie Altholstein am Mittwoch in Kiel. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und der Diakonie Altholstein.
Es ist eng im Zahnmobil – einem ausgedienten Krankenwagen. Schränke voller medizinischer Materialien sind an den Wänden, Amalgamabschneider und eine Röntgeneinheit sind mit an Bord. In der Mitte ein großer Zahnarztstuhl. Alles sieht aus und riecht, wie in einer normalen Zahnarztpraxis. „Das ist sie auch“, sagt Arzthelferin Nicole Tammert. Allerdings könnten nur akute Probleme, wie Löcher, Füllungen oder Schmerzen, behandelt werden. Eine langjährige Behandlung sei nicht möglich.
Tammert ist wie Fahrer Jürgen Kiese fester Bestandteil des mobilen Praxis-Teams. Dazu kommen ein zugeteilter Arzt und ein Student. „Das UKSH ist ein Lehrkrankenhaus. Durch das Mobil kommen Studenten aus ihrer Bubble raus. Das ist eine wichtige Ergänzung für eine gute Ausbildung“, sagt der Direktor der Klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie am UKSH und Studiendekan Christof Dörfer. Zudem würden die vier Kliniken des UKSH nur einen kleinen Teil der Bevölkerung abdecken. Der restliche Teil dürfe nicht vergessen werden.
16 Stationen stehen auf der Halteliste der mobilen Praxis, vier davon in Kiel. „Hier ist der Bedarf einfach besonders hoch“, sagte Vanessa Trampe-Kieslich aus dem Geschäftsbereich Soziale Hilfen der Diakonie Altholstein. „Es ist wichtig, die Menschen da abzuholen, wo sie sich aufhalten“, erklärt Scotti. In Kiel sei das beispielsweise vor der Nikolaikirche am Alten Markt, oder vor der Hilfseinrichtung „Kieler Anker“ nahe dem Südfriedhof. Weitere Haltepunkte gibt es unter anderem an Obdachlosenunterkünften, Flüchtlings-, Alten- und Pflegeheimen in Kaltenkirchen, Flensburg, Lübeck, Bad Segeberg, Neumünster, Rendsburg oder Husum.
Die größte Hürde sei oft Scham. „Die Menschen waren zum Teil jahrelang nicht mehr beim Zahnarzt und haben einfach Angst oder schämen sich, weil sie vielleicht nicht geduscht sind“, sagte Trampe-Kieslich. Gut sei es da, vertraute Gesichter im Mobil zu finden. „Manche trauen sich dann beim nächsten Halt“, ergänzt Tammert.
Das Projekt sei nicht nur für Betroffene eine gute Sache. „Auch andere Menschen werden so auf das Projekt aufmerksam“, freut sich Nikolai-Pastorin Maren Schmidt. „Einige Menschen verstehen erst, dass ein Zahnarztbesuch nicht selbstverständlich ist, wenn sie das Mobil sehen.“ Viele Menschen wüssten nichts von dem Leben auf der Straße, welche Probleme und Projekte es gebe.
Initiiert wurde das Projekt vom Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des UKSH, Jörg Wiltfang. Am Leben erhalten wird es durch die Zusammenarbeit von UKSH und Diakonie Altholstein und finanziert vor allem über Spenden. „Das Zahnmobil ist ein alter Rettungswagen mit knapp 300.000 gefahrenen Kilometern“, gibt Klinikmanagerin Heike Horn zu bedenken. Der schafft es vielleicht noch zwei bis drei Jahre. Dann müsse ein neuer finanziert werden. Interessierte, die das Zahnmobil finanziell unterstützen möchten, seien herzlich eingeladen, sich an das UKSH oder die Diakonie Altholstein zu wenden.