Die Polizei der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro hat eine tödliche Operation gegen das organisierte Verbrechen vorgenommen. Der Gouverneur spricht von einem Erfolg – Menschenrechtler sind entsetzt.
Einen Tag nach den stundenlangen Feuergefechten zwischen Polizei und Mitgliedern der Bande Comando Vermelho in Brasiliens Metropole Rio de Janeiro wird das ganze Ausmaß der Gewalt sichtbar. Bewohner des Armenviertels Penha im Norden der Stadt entdeckten am Mittwoch mindestens 70 Leichen in einem Wald. Am Dienstag hatte die Polizei zunächst von 60 getöteten Banditen und vier toten Beamten gesprochen. Damit steigt die Gesamtzahl der Toten auf über 130.
Die nun gefundenen Leichen wurden von Anwohnern auf einem Platz im Viertel Penha aufgereiht, um sie zu identifizieren. Sie weisen laut Augenzeugenberichten Spuren auf, die auf unzulässige Hinrichtungen hindeuten. So sollen einige der Jugendlichen und Männer durch Kopf- beziehungsweise Genickschuss getötet worden sein. Ihre Hände seien hinter dem Rücken gefesselt gewesen. Auch Leichen mit schweren Schnittwunden wurden den Angaben zufolge gefunden, darunter eine mit abgetrenntem Kopf.
Auf die entdeckten Leichen angesprochen, sprach Rios Gouverneur Cláudio Castro trotz der offensichtlich exzessiven Gewalt von einer erfolgreichen Polizeiaktion. Lediglich die vier getöteten Polizisten sehe er als Opfer an, so Castro. Rios Sicherheitssekretär erklärte, die Polizei habe die Gangster absichtlich in das Waldstück abgedrängt, um die Bewohner der Region zu schützen. Dadurch sei der “Kollateralschaden” durch Querschläger gering ausgefallen. Medien berichten von drei verletzten Zivilisten.
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch hatten bereits am Dienstag Untersuchungen zu der Polizeiaktion gefordert. Die Aktivisten sprachen von einem “Massaker” und einer “Katastrophe”.
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva will noch an diesem Mittwoch mit seinem Kabinett über die nächsten Schritte beraten. Gouverneur Castro hatte der Regierung vorgeworfen, Rio im Kampf gegen das organisierte Verbrechen im Stich gelassen zu haben.
Die Polizeiaktion vom Dienstag war die tödlichste in der Geschichte Rio de Janeiros. Die Zahl der Toten übertrifft die einer Razzia vom Mai 2021 bei Weitem. Damals wurden im Viertel Jacarezinho 28 Personen getötet, laut Menschenrechtlern auch unschuldige Zivilisten. Die Polizei bestreitet das jedoch.