Artikel teilen:

Würzburger Forscher: “Unterfranken ist ein Klimawandel-Hotspot”

Aktuelle Zahlen haben es gerade gezeigt: Der Juni 2025 war in Westeuropa so warm wie noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Eine Region, die schon seit Längerem einen Hitzerekord nach dem anderen verbucht, ist Kitzingen in Unterfranken. Klimaforscher von der Uni Würzburg wollen deshalb im Rahmen eines neuen Projekts Daten sammeln, wieso das so ist, und mögliche Lösungen aufzeigen. Finanziert wird das Projekt durch Mittel der CSU-Landtagsfraktion, vermittelt von der unterfränkischen Abgeordneten Barbara Becker. Klimaforscher Christian von der Stein-Hartmann erläutert, was genau die Wissenschaftler vorhaben und warum Unterfranken ein Klimawandel-Hotspot ist.

epd: Herr von der Stein, wieso erforschen Sie zusammen mit einem Team von der Uni Würzburg das Klima in Stadt und Landkreis Kitzingen genauer?

von der Stein: Der eine Grund ist zum einen die räumliche Nähe zu Würzburg. Dort führen wir als Universität seit 2018 Stadtklimamessungen durch. Die Idee zu dem Projektantrag für Kitzingen kam so zustande, dass wir gesagt haben, wir wollen uns neben einer Großstadt mit über 100.000 Menschen, wie Würzburg, auch mal eine kleinere Stadt oder gar ländliche Regionen genauer anschauen – also: Wie wirkt sich der Klimawandel dort jeweils aus? Und der zweite Grund ist, dass in Kitzingen seit Jahren immer wieder Hitzerekorde verzeichnet wurden.

epd: Sie erhalten 250.000 Euro aus Mitteln der CSU-Landtagsfraktion – und mit denen installieren Sie unter anderem 60 Sensoren. Wie muss man sich das vorstellen?

von der Stein: Anders als in Würzburg, wo wir Bäume selbst mit Sensoren bestückt haben, setzten wir beim Kitzinger Projekt auf Temperatursensoren, Wetterstationen und Sensoren zur Bodenfeuchtigkeit. Wir wissen durch unser Würzburger Projekt, was für eine eindrucksvolle Klimaanlage ein Baum ist: Der schafft es, in seinem direkten Umfeld die Lufttemperatur um bis zu 3,5 Grad abzukühlen – die gefühlte Temperatur kann er sogar um bis zu elf Grad senken. Wenn wir nun die Umgebungstemperatur messen und die Bodenfeuchtigkeit, kann man daran viel ablesen.

epd: Ganz generell: Was ist das praktische Ziel der Messdaten, die Sie jetzt zusammentragen?

von der Stein: Die immer heißeren und trockeneren Sommer setzen nicht nur der Umwelt zu, sondern auch den Menschen. Die Hitzebelastung steigt – da gilt es gegenzusteuern. Zum einen können wir anhand unserer Daten sehen, welche Teile einer Stadt sich besonders schnell aufheizen oder schlecht abkühlen. Da kann man dann stadtplanerisch eingreifen, etwa mit mehr Grün. Und gleichzeitig kann man gucken, wo das Grün in der Stadt bei welchem Wetter Hilfe braucht, beispielsweise in Form von Bewässerung, um nicht selbst ein Opfer der trockenen Hitze zu werden.

epd: Und Sie erwarten sich von den Kitzinger Daten im Vergleich mit den Würzburger Daten was genau?

von der Stein: Unsere Arbeitshypothese ist: Je größer die Stadt ist und je mehr Menschen in dieser Stadt wohnen, desto größer ausgeprägt sind die Stadtklimaeffekte – und je ausgeprägter diese sind, desto problematischer für die Bewohnerinnen und Bewohner. Das Phänomen an sich ist wissenschaftlich seit mehreren Jahrzehnten bekannt. Was wir jetzt machen möchten, ist sozusagen das in eine Größe zu fassen, gerade bei uns in der Region, weil Unterfranken einer der Hotspots des Klimawandels in ganz Deutschland ist.

epd: Sie schauen sich ja nicht nur Temperaturen und Bodenfeuchtigkeit an, sondern auch andere Parameter. Welche sind das und weshalb sind die auch wichtig?

von der Stein: Wir messen außerdem noch die Luftfeuchtigkeit, den Niederschlag, die Windgeschwindigkeiten und die Sonneneinstrahlung. Mit diesen ganzen Werten können wir die Hitzebelastung für die Menschen in den Städten sehr gut berechnen, mit den langjährigen Mittelwerten vergleichen und Abweichungen feststellen. Darüber hinaus schauen wir auch, welchen Kühleffekt größere Wasserflächen wie der Main in Hitzeperioden haben. Wir wollen ein Gefühl dafür kriegen, wie groß jetzt der Einfluss von Gewässern in Siedlungsgebieten sind, um die Wärmebelastung zu senken.

epd: Wieso ist das eigentlich so, dass Kitzingen solche Hitzerekorde einfährt und dass die Grundwasserpegel in Bayern nirgends so niedrig sind wie in Unterfranken?

von der Stein: Es gibt in Deutschland mehrere solcher Hotspots – neben Unterfranken etwa der Oberrheingraben und noch andere mehr. Sie alle haben geografische Ähnlichkeiten, also sie bilden durch die umliegenden Mittelgebirge eine Art große Kessellage. In Unterfranken wird das Maintal von Spessart, Rhön und Steigerwald „eingekesselt“. Es passiert dort das gleiche wie an den Alpen, wenn es Föhnwinde gibt: Die heranziehenden Niederschläge regnen sich an der einen Bergseite ab, übrig bleiben warme, trockene Fallwinde, die den Kessel dann immer weiter aufheizen.

epd: Ist so eine Region für Sie als Klimaforscher ein idealer Standort?

von der Stein: Ja, weil Klimawandel-Hotspots der allgemeinen Entwicklung immer ein paar Jahre voraus sind. Das heißt, die Daten, die wir dort zusammentragen können, die Zustände, die wir dort beobachten, die werden sich sehr wahrscheinlich in anderen Regionen auch einstellen – nur später. Dort kann man zum einen Gegenmaßnahmen testen, und zum anderen sieht man, ob die gängigen Berechnungsmodelle zu den Stadtklimaeffekten auch weiterhin gelten, oder ob die Temperaturunterschiede zwischen Stadt und Umland in der Zukunft stärker ausgeprägt sein werden.

epd: Das klingt so, als würden Sie genau das erwarten, also, dass die bisherigen Stadtklima-Modelle zu konservativ sind?

von der Stein: Wir stehen aktuell noch am Anfang unserer Messungen und haben das Ziel, durch das Messnetz und den Messzeitraum eine gute und aktuelle Datenbasis zu gewinnen. Mit diesen Daten können wir eine zuverlässige Aussage treffen, was die Ausprägung der Stadtklimaeffekte in den Zeiten der aktuellen Klimaveränderungen betrifft. (2289/14.07.2025)