Wotan Wilke Möhring zum Kloster-Tatort “Schweigen”
Der “Tatort: Schweigen” am Sonntag spielt in einem echten Kloster. Es geht um eine Kirche und Missbrauch, Verlogenheit und Glauben. Ein Interview mit Hauptdarsteller Wotan Wilke Möhring.
Eigentlich will sich Hauptkommissar Thorsten Falke im Kloster eine Auszeit nehmen, doch dann steckt er im “Tatort: Schweigen” so plötzlich wie unfreiwillig mitten in den Ermittlungen in einem Fall von Kindesmissbrauch in der Kirche.
Falke-Darsteller Wotan Wilke Möhring spricht im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) über den diesmal ganz anderen Falke, seine Haltung zu Glaube und Religion und wie es ist, in einem echten Kloster zu drehen.
Herr Möhring, Lars Kraume, der Regisseur von “Tatort: Schweigen” hat über Sie beziehungsweise den von Ihnen gespielten Kommissar Falke gesagt, dieser werde im Lauf des Films zum “säkularen Prediger”, der seinen eigenen Kreuzzug gegen den Missbrauch in der Kirche führt. Erkennen Sie sich da wieder?
: Er benutzt natürlich solche Begriffe, denn er ist ja selbst katholisch und mit der Kirche groß geworden. Falke hat keinen Kreuzzug zu führen. Oder besser gesagt, der Kreuzzug von Falke ist der Kreuzzug für Gerechtigkeit, keiner gegen die Kirche, und er braucht auch kein Kreuz dazu.
Sie selbst sind auch nicht religiös?
Richtig. Ich bin noch evangelisch getauft worden, das war es dann aber auch. Meine Kinder habe ich wegen ihrer Mutter katholisch taufen lassen, auch damit Oma, Opa und alle happy sind. Das habe ich eher aus Respekt gegenüber der Familie gemacht. Beim Glauben unterscheide ich, aber ich glaube nicht an Institutionen.
Wie geht man dann mit einem solchen Stoff um? Haben Sie gleich “Hurra” geschrien oder eher gesagt “Oh Gott, was wird das denn”?
Ich wusste natürlich bei Lars, dass das Thema bei ihm in guten Händen war, gerade weil er der katholischen Kirche deutlich nähersteht. Es gab bei dem Film eine gute Begleitung durch die Kirche. Auch die Möglichkeit, das alles in einem echten Kloster zu drehen, war ebenfalls eine tolle Haltung der Kirche gerade bei diesem “Tatort”. Das zeigt ja, dass sie auch daran interessiert sind, das Thema Missbrauch öffentlich zu machen. Ich fand und finde das gut.
Wir erleben hier auch einen ganz anderen Falke – er ist ja gar nicht von Anfang an wie sonst üblich der Kommissar, der Ermittler…
Genau, wir erleben zum ersten Mal Falke als Privatperson, der während dieses Retreats im Kloster zufällig in den Fall reingerät. Er hat gar keine Absicht zu ermitteln, sondern die entsteht dadurch, dass er bei der Suche nach etwas ganz anderem das Archiv des Pastors findet.
Das macht den Film sehr berührend, gerade auch die Freundschaft von Falke zu Daniel, den Florian Lukas mit seiner ganzen Zerrissenheit und Betroffenheit großartig spielt. Und auch Sie als Falke waren viel bedrückter, ernster als sonst.
Absolut. Das Grauen sehen wir ja nicht, und doch ist es ständig gegenwärtig. Das wurde ganz bewusst so gemacht. Das Grauen erfahren wir nur durch die Darsteller. Das zu transportieren, war eine große Aufgabe. Ich glaube, es ist uns allen ganz gut gelungen, das abzubilden, ohne voyeuristisch zu sein.
Wie war es für Sie, einen solchen Stoff in einem realen Kloster zu drehen?
Die Landschaft dort ist natürlich wunderbar. Und das Setting war ja durchaus realistisch: Falke will nach dem Tod seiner Kollegin, für den er sich in gewisser Weise schuldig fühlt, weg von der Stadt, Abstand schaffen zu dem, was passiert ist. Die Abtei Mariawald in der Eifel ist schon eine beeindruckende Anlage, ein Ort der Stille. Ich kann mir gut vorstellen, dass man da wirklich Zeit verbringt, um zur Ruhe zu kommen. Doch dann bricht das Grauen herein, Falke wird unfreiwillig wieder zum Ermittler. Im Kloster hängen überall Kreuze, und bei jedem Vorbeigehen an so einem Kreuz ist mir die Diskrepanz deutlich geworden zwischen dem, was das Christentum oder Jesus vielleicht sagen wollten, und dem, was eben auch in der Kirche passiert.
Falke wird dann auch richtig laut und sehr direkt. Er schreit seine Verzweiflung und auch eine Anklage gegen die Verlogenheit heraus. Wie viel davon ist Drehbuch und wie viel Wotan Wilke Möhring?
: Ich habe mich mit der Szene sehr beschäftigt. Die war zuerst ganz anders angelegt: Ich hätte das Kreuz anschreien sollen, aber ich habe gesagt, ich schreie da nicht eine Holzfigur an, sondern es platzt eher aus mir heraus. Denn dass ausgerechnet an so einem Ort, der für etwas ganz anderes gemacht wurde, beständig Verrat an den Schwächsten passiert ist, macht mich als Person genauso wütend wie Falke.
Im “Tatort: Schweigen” haben Sie mit Lena Lauzemis, die die örtliche Kommissarin Eve Pötter spielt, eine Interimspartnerin an die Seite gestellt bekommen, die dann sehr katholisch ist und sehr, sehr zurückhaltend ermittelt…
Genau. Das war bewusst so angelegt, weil sie eine andere Zerrissenheit hat als Falke: Sie kommt aus dem Ort, kennt die Kirche, ist gläubig. Sie zeigt so auch das Dilemma der Institution Kirche. Und muss dann aber in ihrer Funktion als Polizistin, aber natürlich auch als Mensch, das ermittlerisch und moralisch aufarbeiten.
: Das Kloster, genauer die dort lebenden Mönche, kommen aber verhältnismäßig wenig in der Spielhandlung vor. Bis auf den einen, der selbst schon mal die Alarmglocke geläutet hatte, aber sich nur nach innen, an die Kirche selbst wandte, so dass die Sache vertuscht werden konnte. War das eine Art Rücksichtnahme?
: Nein, ich glaube nicht. Das Kloster, das Gebäude an sich, hat genug erzählt, und wir wollten ja nicht die Menschen als solche vorführen. Es ging darum, durch sie ein bisschen den Alltag im Kloster zu zeigen, aber das war’s auch schon.