Geschichte hat Wolf Biermann geschrieben. Und große Lieder und Gedichte. Kämpferisch gibt sich der Künstler auch mit 88 Jahren.
Wolf Biermann, Dichter und Liedermacher, fürchtet weder schlechte Nachrichten noch den Tod. Natürlich brächten ihn ungute Neuigkeiten gelegentlich aus der Fassung, bekannte Biermann in einem Gespräch mit der “Süddeutschen Zeitung” (Wochenende). “Aber ich brauche auch schlechte Nachrichten, damit ich sie überwinden kann.” Eine Idylle genieße man nur im Grab.
Auf die Frage, ob er Angst vor dem Tod habe, sagte der 88-Jährige: “Er nicht vor mir, ich nicht vor ihm. Man kennt sich.” Das zumindest bilde er sich ein. “Ich starb mein Leben lang, und ich bin gelegentlich auferstanden. Zum ersten Mal gestorben bin ich 1943, in dem großen Bombenangriff auf Hamburg, bei dem etwa 40.000 Menschen krepiert sind”, so Biermann. Er habe das Inferno mit seiner “kleinen starken Mutter” überlebt, “weil ich, an ihren Hals geklammert wie ein Rucksack, schwimmend durch den Südkanal in Hammerbrook der Hölle entkam.”
Als einen weiteren Moment der Rettung beschrieb der Dichter den Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg über Deutschland. Die Gegner des NS-Regimes “bewahrten mich Judenbalg damals vor den Feuern des Holocaust”. Biermanns Vater Dagobert wurde 1943 als Jude und Kommunist im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
Wolf Biermann selbst siedelte 1953 in die damalige DDR über. Im Herbst 1976 wurde er nach einem Konzert in der Kölner Sporthalle ausgebürgert. Das Ereignis gilt als ein Wendepunkt in der Geschichte der DDR. Später ließ sich Biermann in seiner Geburtsstadt Hamburg nieder. Am Donnerstag erhält der Künstler den Preis der Gema für Musikautorinnen und Musikautoren für sein Lebenswerk.
Befragt zu seiner Haltung zur Migrationsdebatte sagte Biermann, diese sei nur aus einem einzigen Grund ein Problem für ihn: “Weil es für so viele Heil-Hitler-Deutsche und deren Nachgeborene ein panisches Problem ist. Und mit denen muss ich ja leben!” Ihn selbst schreckten fremde Gesichter nicht. “Aber es ist mein Missvergnügen, wenn ich sehe, wie allerhand deutschere Deutschen, zu deren Volk ich nun mal gehöre und in dessen Sprache ich mich bewege, so hysterisch leiden.”
Grundsätzlich jedoch wolle er nicht resignieren, betonte Biermann. “Mein Glaube ist noch verrückter als der Glaube an Gott. Denn ich glaube an die Menschen.”