St. Nicolai: Wohnstube Gottes nach Bauernart

Die St.-Nicolai-Kirche Altengamme hat Geburtstag und wird 775 Jahre alt. Mit einer Festwoche Ende August wird sie nun gebührend gefeiert.

Eine Aufnahme der St.-Nicolai-Kirche vom 13. August 1903 mit dem Alten Friedhof
Eine Aufnahme der St.-Nicolai-Kirche vom 13. August 1903 mit dem Alten FriedhofArchiv St. Nicolai /Wilhem Weimar

Hamburg. In Altengamme liegen Ortsgeschichte und Kirchengeschichte eng beieinander: 825 Jahre ist es her, dass der Ort als „Gamma“, indogermanisch für Erde, erstmals urkundlich erwähnt wurde. Vor 775 Jahren tauchte die Kirche St. Nicolai 1247 erstmals in einer Urkunde auf. „Man kann aber davon ausgehen, dass sie älter ist“, erklärt Pastor Martin Waltsgott. Zum Geburtstag des Gotteshauses hat er den Kirchenführer neu herausgebracht. Gefeiert wird mit einer Festwoche vom 21. bis 28. August.

Frühe Prägung vom Bauerntum

„Altengamme gehört eigentlich zu Hamburg, es gibt aber eine lange Tradition der Selbstständigkeit“, erklärt Pastor Waltsgott. In mehr als 800 Jahren habe sich in Altengamme das Bewusstsein entwickelt, ein eigener Ort zu sein. Anfang des 15. Jahrhunderts war der Adel aus den Vierlanden abgezogen, und so bildete sich ein freies Bauerntum. „Aus seinen Reihen kamen die Landvögte, Hauptleute und Kirchengeschworenen“, schreibt Waltsgott im Kirchenführer. Dadurch wurden Kirche und Gemeinde früh vom Bauerntum geprägt. Weil Hamburg ein naher Abnehmer für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse war, verfügten die Menschen über das Geld, ihre Kirche reich auszustatten. Sie ist eine der wenigen Bauernbarock-Kirchen in Norddeutschland.

1907 wurde die Kirche in ihrer heutigen Form gestaltet

Seit 1556 bildet Altengamme gemeinsam mit Curslack, Kirchwerder und Neuengamme die Vierlande. Kurz zuvor, um 1542, war in St. Nicolai die Reformation eingekehrt. „Heinrich Pauli war der letzte katholische und zugleich der erste evangelische Pastor.“ Ursprünglich als Feldsteinkirche errichtet, musste der Bau nach einem Sturm 1747 wieder aufgebaut werden. Das war die gleiche Zeit, in der die Hamburger Michaeliskirche nach einem Brand 1750 neu erbaut wurde. „Nur dass diese seitdem zweimal zerstört wurde, während das Altengammer Gotteshaus noch in dem damaligen Zustand erhalten ist. Während man vom Hamburger Michel als Gottes Festsaal spricht, so bezeichnen die Altengammer ihre Kirche als die Wohnstube Gottes nach Bauernart“, heißt es im Kirchenführer. 1907 wurde die Kirche in ihrer heutigen Form gestaltet.

Die Trachten werden heute noch getragen

Die Bauern- und Handwerkergemeinde hat in der Kirche ihre Handschrift hinterlassen. „Auffällig und außerhalb der Vierlande unüblich sind die 55 reich verzierten … Hutständer, die an den Männerbänken montiert sind“, schreibt Waltsgott. Die schmiedeeiserne Kunst fand ebenso Eingang in die Altengammer Kirche wie Handarbeiten auf den Sitzkissen oder die Intarsienarbeit, Holzmosaike. Eine weitere Besonderheit ist in St. Nicolai die größte der drei Kirchenglocken: Sie kam 1804 aus dem Hamburger Dom nach dessen Abbruch nach Altengamme.

Gemeinde gestaltete bis heute die Kirche mit

„Eine Tradition, die sich auch gehalten hat, sind die Trachten“, führt Pastor Waltsgott aus. Sie entwickelten sich seit dem 17. Jahrhundert. „Heute noch werden sie zur Konfirmation in der Kirche getragen und sind auch beim Festgottesdienst erwünscht.“ Nach wie vor gestaltet die Gemeinde die Kirche mit: Die Weihnachtskrippe schuf Hubertus Hinschal 1979, Sitzkissen wurden von den Frauen des Basarkreises erneuert, mehr als 600 Gemeindemitglieder schrieben an einer handgefertigten Altengammer Bibel mit.

„Bis heute ist das Miteinander im Ort sehr groß“, hat Waltsgott beobachtet. Die Umstrukturierung ist aber auch in Altengamme angekommen. „Nach meiner Pensionierung wird Altengamme wohl dem Nachbarsprengel zugeschlagen. Die Selbstständigkeit der Gemeinde soll aber erhalten bleiben.“ Wie auch in Zukunft die Kirche mit Leben gefüllt wird, zeigen neue Formate wie die „Kirche Kunterbunt“ oder Kunst-Projekte als moderne Form der Verkündigung. Begleitet wird das Jubiläum mit Ausstellungen, Konzerten und Einblicken in die Traditionen Altengammes.

Festgottesdienst mit Bischöfin Kirsten Fehrs

Ein Festgottesdienst mit Bischöfin Kirsten Fehrs beginnt am Sonntag, 21. August, um 10 Uhr. Zur Feierwoche gehört eine Ausstellung über das Gemeindeleben. Sie ist wochentags von 16 bis 20 Uhr in der Kirche zu sehen. Das Festprogramm gibt es auch online auf nicolai.kirche-altengamme.de.