Wohin mit der Mappe?

Es sollte meine erste Trauung werden. Ich war Vikar und meine Mentorin fand, dass ich es jetzt mal machen könnte.
Diese Pfarrerin hatte ein Faible für liturgische Vollzüge und hat deswegen dankenswerterweise die ganze Trauung mit mir vorher durchgeprobt. Wann ich wo stehen soll, wie ich was mache. Auch die Küsterin war dabei gewesen.
Ich fühlte mich gut vorbereitet.
Dann kam der Tag der Trauung.  Ich stand in der Kirche und hatte mein Ringbuch mit den Texten in der Hand.
Das hatten wir nicht geprobt: Wo sollte ich das Mäppchen hinlegen beim Segnen?
Nervös suchte ich in der Kirche nach meiner Mentorin. Die sprach gerade mit der Küsterin. Die Hochzeitsgäste nahmen derweil schon Platz. Meine Mentorin sagte „Dir wird schon das Richtige einfallen“.
Die Glocken fingen an zu läuten. Die Küsterin ging nach draußen um zu schauen, ob die Braut da sei.
Sie kam lachend zurück und gab mir über die Köpfe der Gäste hinweg einen „Daumen nach oben“, das Zeichen dafür, dass alles in bester Ordnung sei. Aber: Was genau meinte sie? Jedenfalls schien sie sich über irgendetwas prächtig zu amüsieren.
Dann öffnete sie die Kirchentür und herein trat – am Arm ihres Vaters: die Braut.
Würdevoll zogen die zwei ein.
Gerührt begrüßten sich Braut und Bräutigam, nahmen auf den Hochzeitsstühlen Platz.
Hilfesuchend ließ ich meinen Blick durch die Kirche wandern. War bis jetzt alles in Ordnung? Hatte ich alles richtig gemacht? Mein Blick fand meine Mentorin und die Küsterin. Kichernd wie zwei Schulmädchen saßen die da in der letzten Bankreihe.
Ich schlug die Mappe auf. Fing mit der Begrüßung an.
Und da schaute ich das Brautpaar genauer an. Und verstand schlagartig, worüber die letzte Bankreihe die ganze Zeit schon witzelte: Wo soll ich meine Mappe zwischendurch ablegen? Nun, das Dekolleté der Braut war gewaltig. Groß genug für eine DinA5 Mappe …