Wo Trauern verboten ist

Für Seebestattungen ist die Ostsee bei Kiel beliebt. Direkt am Ufer haben Angehörige jetzt Plaketten zum Gedenken angebracht. Doch sie haben die Rechnung ohne den Bürgermeister gemacht.

Die Gedenkplaketten und das Verbotsschild an der Ostsee
Die Gedenkplaketten und das Verbotsschild an der OstseeKarina Dreyer

Strande. Sie sind klein, rosten schnell und sind in der Gemeinde Strande bei Kiel ein Ärgernis: Plaketten, die Angehörige von Verstorbenen auf der Promenade an das Schutzgeländer zur Ostsee geschraubt haben. Die Marken sind mit Namen und Sterbedaten von Toten versehen, die auf See bestattet wurden. Angehörige wollen sich so einen Ort des ­Gedenkens schaffen. Bei der ­Gemeinde hagelte es Beschwerden. Ein Schild untersagt nun das Anbringen der Gedenkmarken. „Ich verstehe, dass die Menschen trauern. Aber wir müssen eine ­andere Lösung finden“, sagt Strandes Bürgermeister Holger Klink.
Knapp 1000 Urnen werden in dem Seegebiet vor der Gemeinde Strande jährlich versenkt. Selbst aus Süddeutschland reisen Menschen an, um die Asche ihrer ­Angehörigen der Ostsee zu überlassen. Seebestattungen sind in Schleswig-Holstein, dem Land zwischen den Meeren, ein großer Wirtschaftszweig. Wohl nicht ­zuletzt deshalb, weil sie in der ­Regel deutlich günstiger sind als ein klassisches Friedhofsbegräbnis. Schließlich fallen keine Kosten für die Grabstätte an, die zudem noch gepflegt werden muss.

Das sagt der Pastor

Der Ort unter dem Bülker Leuchtturm ist aber auch vom Tourismus geprägt. Urlauber kommen her, um Segelveranstaltungen zu besuchen und den Blick auf das weite Meer zu genießen. Da passe eine Trauergedenkstätte direkt auf der Promenade nicht ins Bild, sagt Klink. Weder für die Urlauber noch für die Trauernden. Außerdem seien Seebestattungen nunmal anonym. „Wer einen festen Ort zum Trauern braucht, kann seine Angehörigen ja auf einem Friedhof beerdigen lassen“, sagt der Bürgermeister.
Ähnlich sieht das Pastor Lars Emersleben vom Landeskirchenamt in Kiel. Wenn ein geliebter Mensch sterbe, sei das für die Angehörigen natürlich mit sehr vielen Emotionen verbunden. Trotzdem sei der Tod keine Privatangelegenheit. „Die Kommunen haben das Recht, wilde Formen von Gedenkstätten zu unterbinden“, so Emersleben.
In der gesamten Entwicklung sieht der Pastor aber auch einen emotionalen Umschwung in der Gesellschaft. „Wir entsorgen unsere ­Toten nicht einfach, sondern wollen wieder einen Ort zum Trauern. Dieses Phänomen nimmt immer mehr zu.“ Vor 20 Jahren gab es fast nur die ­klassische Form der Grabstätte und anonyme Urnengräber. ­Inzwischen ist auch die Bestattungssituation auf Friedhöfen vielfältiger geworden.

Über den letzten Willen hinwegsetzen

Der Pastor empfiehlt Angehörigen deshalb, sich nach dem Tod eines geliebten Menschen genau zu überlegen, ob eine Seebestattung wirklich ihren Bedürfnissen entspricht. Oftmals ist es auch der letzte Wille des Sterbenden, auf See bestattet zu werden. „Die Toten sind aber bei Gott gut aufgehoben. Die Angehörigen müssen damit leben, dass ein konkreter Ort des Gedenkens fehlt“, sagt Emersleben. Im Zweifel müssten Angehörige sich über den letzten Willen des Toten hinwegsetzen. Problematisch sei es allerdings, wenn der testamentarisch verankert sei.
Emersleben rät der Gemeinde Strande, mit den Trauernden gemeinsam eine Lösung zu finden. „Im angelsächsischen Raum sind beispielsweise Bänke sehr beliebt, die von Angehörigen gestiftet werden und an die Toten erinnern.“ 
Strandes Bürgermeister Holger Klink kann sich eine Gedenkstätte vorstellen, die einige hundert Meter zurückgesetzt ist, aber auch einen freien Blick auf die Ostsee bietet. Mit Gemeindevertretern und Seebestattern sei er im Gespräch.